REGION (pm) – Asylbewerber zeitnah und passgenau in Praktika, Ausbildung und Arbeit zu vermitteln – diesem Ziel diente jetzt ein Gipfeltreffen in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg in Villingen-Schwenningen. Integration gelinge dann, wenn vielen Menschen eine Erwerbsperspektive eröffnet wird, zeigten sich die Teilnehmer laut Pressemitteilung der IHK einig.
Gastgeber Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Erika Faust, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rottweil-Villingen-Schwenningen, die drei Landräte Dr. Wolf-Rüdiger Michel (Rottweil), Stefan Bär (Tuttlingen) und Sven Hinterseh (Schwarzwald-Baar-Kreis) sowie Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Konstanz, diskutierten im Erfahrungsaustausch Maßnahmen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
Schnell wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Institutionen zwar gut funktioniert, dennoch aber weiter intensiviert werden muss, vor allem, um Doppelungen zu vermeiden. „Wir wollen uns von der Ankunft bis zu einer Vermittlung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in einem abgestimmten Prozess um die Flüchtlinge kümmern“, sagt Thomas Albiez. „Ganz zu Beginn steht dabei die Vermittlung der deutschen Sprache und danach die Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.“
„Viele Handwerksbetriebe im Kammerbezirk stehen bereit, ihren Teil bei diesem Langzeitprojekt beizutragen, 18 bilden bereits Flüchtlinge aus und werden von uns bei Bedarf begleitet. Wir haben eine zentrale Anlaufstelle für Anfragen eingerichtet und bemühen uns auch politisch um Unterstützung. Sichere Bleibeperspektiven und ausbildungsbegleitende Hilfen sind wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Integration“, sagt Georg Hiltner.
„Inzwischen ist klar geworden, dass nur wenige Flüchtlinge mit formalen Qualifikationen, etwa einem Gesellenbrief, nach Deutschland kommen“, sagt Erika Faust. „Trotzdem haben viele der Flüchtlinge Fähigkeiten und Talente. Um beides herauszufinden, müssen Agentur für Arbeit, Jobcenter und Betriebe bereit sein, auch unkonventionelle Wege zu gehen. Gefragt sind beispielsweise Betriebspraktika, bei denen Flüchtlinge zeigen können, was sie beherrschen“, so Faust.
Sven Hinterseh: „Es wird in Zukunft von großer Bedeutung sein, die bei uns lebenden Flüchtlinge zu integrieren. Die Integration wird die Hauptaufgabe schlechthin für unsere Gesellschaft sein. Damit dies gelingen kann, sind sowohl die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, aber auch unsere heimischen Arbeitgeber wichtige Stützen.“ Stefan Bär: „Der einzige Weg, Menschen dauerhaft zu integrieren, führt über Sprache und einen Arbeitsplatz. Alle Beteiligten tun gemeinsam ihr Bestes, um die Flüchtlinge auf diesem Weg zu unterstützen.“ „Die Integration erleichtert auch die Anerkennung unserer freiheitlichen und demokratischen Gemeinschaft durch die Flüchtlinge“, ergänzt Dr. Wolf Rüdiger Michel.
Die regionale Wirtschaft sei bereit, Flüchtlinge in die Arbeitswelt einzugliedern, belegten Thomas Albiez und Georg Hiltner anhand von Fakten. Eine Umfrage der IHK unter ihren Mitgliedsbetrieben fand ebenfalls große Resonanz, berichtete Albiez. 455 Unternehmen hatten daran teilgenommen, rund 40 von ihnen haben sogar schon Flüchtlinge eingestellt. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen sind nach ersten Zwischenergebnissen bereit, bei hinreichenden Deutschkenntnissen der Flüchtlinge Einstiegsqualifizierungen, Praktika, Ausbildungsplätze oder reguläre Beschäftigungsverhältnisse einzugehen.
Auf eine Anfrage der Handwerkskammer Konstanz hin haben sich seit Anfang November bereits 183 Betriebe mit konkreten Angeboten gemeldet. Sie umfassen Praktikums-, Ausbildungs- als auch Arbeitsplätze in den unterschiedlichsten Berufen vom Bäcker über den Kfz-Mechatroniker bis zum Zimmerer. Aus den drei Landkreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar sind bisher 68 Betriebe gelistet, die konkrete Stellen zu besetzen haben.
Mit Blick auf den besonderen Wert der Sprachvermittlung sagten die Landräte zu, in Abstimmung mit anderen Trägern entsprechende Angebote nach Möglichkeit auszubauen. Erika Faust informierte von einem neuen Sprachprojekt der Arbeitsagentur, das in die gleiche Richtung zielt. An dieser Stelle seien dann auch Land und Bund entscheidend gefordert. Die Runde kam überein, Daten und Informationen über Kreis- und Institutionsgrenzen so umfangreich und schnell wie gesetzlich eben möglich auszutauschen, um das Matching – hier die Menschen in den Unterkünften oder der Anschlussunterbringung, dort die Betriebe auf der Suche nach Mitarbeitern – voranzutreiben.
Viele Unternehmen seien erfahren mit der Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter. Das macht sich auch in Sachen Fremdsprachen bemerkbar: Englisch ist in den meisten Betrieben kein Problem, in anderen werden mehrere, zum Teil auch außereuropäische Sprachen gesprochen, so dass eine passende Besetzung unter Umständen auch ohne Deutschkenntnisse möglich sein könnte.
Betont wurde, dass die Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt nicht nur der Integration dient, sondern auch die Akzeptanz in der Gesellschaft erhöht, weil durch Beschäftigung dem Vorurteil der Einwanderung in die Sozialsysteme wirksam entgegengetreten werden kann. Offensichtlich sei aber auch, dass schnelle Erfolge in großer Zahl nicht zu erwarten sind, sondern vielmehr ein voraussichtlich länger währender Prozess in Gang gesetzt und durchgehalten werden muss.