ROTTWEIL (pm) – Seit vielen Jahren lädt die Business School Alb-Schwarzwald auf der Saline regelmäßig zu Vorträgen im Rahmen eines „Studium Generale“ ein. Aber noch nie wurde im Anschluss so viel Geld für einen guten Zweck gespendet. Offensichtlich überzeugten die Referenten die Besucher von ihrem Anliegen.
Über 60 Interessierte kamen zum Vortragsabend, zu dem der Arbeitskreis Flucht und Asyl Sulz (www.ak-asyl-sulz.de) eingeladen hatte. Frank Börnard, selbst im Arbeitskreis engagiert und Absolvent der Business School, begrüßte und führte in das ebenso aktuelle wie brisante Thema ein.
„Es ist wichtig, breit zu denken, um die vielen Fragen zu lösen. Wir müssen aber auch die Hintergründe kennenlernen und genau hinschauen. Nur so können wir verstehen, was die Menschen, die zu uns kommen, bewegt, was sie antreibt, was wir gemeinsam mit ihnen verarbeiten und lösen müssen. Die Erfahrung der Flucht prägt sie sehr tief. Als Augenzeugin kann uns Karin Schmidtke aus erster Hand berichten, was auf der Balkanroute passiert“, so der Journalist.
Hilfsgüter bis unters Dach geladen
Schmidtke berichtete von ihren Reisen aus dem Schwarzwald bis nach Serbien. Auf der ersten Tour ging es mit einem gemieteten Transporter 1200 Kilometer ins kroatische Flüchtlingscamp Opatovac (Nähe Vukovar) an der Grenze zu Serbien. Ihre zweite Reise führte 1600 Kilometer bis in ein Lager nach Dimitrovgrad.
Beide Male hatte die engagierte Journalistin ihre Fahrzeuge bis unters Dach mit Hilfsgütern vollgeladen. Vorab informierte sie sich, was am dringendsten benötigt wird von den Flüchtlingen, die oft nur die Kleidung am Leib als Besitz haben.
Polizei raubt Flüchtlinge aus
Bei ihren Touren erlebte Schmidtke die große Hilfsbereitschaft der freiwilligen Helfer, aber auch die großen Nöte der Flüchtenden und die teilweise unmenschlichen Zustände in den Lagern.
Auch Polizei und andere Staatsbedienstete kritisierte die Schenkenzellerin. Zwei anwesende Flüchtlinge, Ali und Amine, erzählten den Gästen in der Business School von ihren persönlichen Fluchterlebnissen. Ein erster Fluchtversuch endete damit, dass Amine gezwungen wurde, sich vor Polizisten zu entkleiden und jeglichen Besitz abzugeben. Dann schickte man sie zurück nach Syrien.
Das Haus der Familie liegt mitten im Kriegsgebiet. Immer wieder bedrohten Gefechte und Bomben in unmittelbarer Nähe das Leben der Syrer. Sie entschlossen sich daher zu einem zweiten Fluchtversuch – dieses Mal über das Mittelmeer. Wohl wissend, dass die Überquerung in überfüllten Booten lebensgefährlich ist, erschien ihnen dieser Weg doch sicherer.
Auch bei der zweiten Flucht kam es zu Misshandlungen. Nun sind die beiden froh, es nach Deutschland geschafft zu haben und wünschen sich ein friedlicheres Leben in Sicherheit, wie Dr. Sami Khayat übersetzte.
Kasperlepuppe erobert die Herzen
Mit vielen Fotos aus den Flüchtlingscamps und Erzählungen aus dem Alltag auf der Balkanroute illustrierte Karin Schmidtke, wie sie die Zustände erlebte und was sie in zahlreichen Gesprächen mit Flüchtenden erfahren hat. Eine kleine Kasperlepuppe half ihr dabei, die Herzen der Kinder zu erobern und das Leid durch das eine oder andere Lächeln zu lindern.
Der Psychologe Peter Schimak betonte, wie hoch die Belastung für die Helfenden ist und erläuterte, was die Erfahrungen für die Betroffenen bedeuten.
So kommentierte er, warum eine Mutter auf der Flucht völlig vergaß, das eigene Kind vor der Kälte zu schützen: “Auch das ist, so schrecklich es klingt, in solchen Situationen erklärbar”, sagte Schimak. “Es kommt zur Abstumpfung. Die Gefahr wird verkannt, man reagiert nicht mehr. Wir müssen uns in solchen Momenten bewusstmachen, dass es nicht der Mensch ist, der so ist und das Kind nicht schützt. Es ist eine Folge der Situation.”
Ein Paar Socken ist viel wert
In den Zeltlagern mit mehreren tausend Flüchtlingen erlebte Karin Schmidtke auch viele schöne Momente: “Ein vierjähriger Junge stieß in unserer ‘Modeboutique’, dem Zelt, wo wir Kleidung ausgaben, einen Jubelschrei aus. Weil er ein passendes, trockenes, warmes Pärle Socken gefunden hatte. Haben sie das schon mal bei einem Kind hier erlebt?”, fragte Karin Schmidtke. Sie war auch sehr beeindruckt, wie Helfer aus ganz Europa kamen und bis zur Erschöpfung arbeiteten – und, wie gut trotz aller Probleme diese Zusammenarbeit funktionierte.