Freitag, 8. Dezember 2023
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Rottweil

Bewegender Vortrag über die Seenotrettung im Mittelmeer

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„Asyl ist für Menschen, die uns brauchen.“ Mit einem Zitat von Heribert Prantl beendet der Kapitän Friedhold Ulonska, der für die Organisation RESQSHIP im Einsatz ist, seinen Vortrag im interkulturellen Zentrum Hasen. Zuvor hatte er fundiert über die Hintergründe für veränderte Fluchtrouten und die Zunahme der Flüchtlingszahlen 2023 berichtet und seine eigenen Erfahrungen in der Seenotrettung geschildert.

Rottweil. Dabei wies er auf eine Zahl hin, die betroffen macht: 30.000 Menschen sind seit 2014 im Mittelmeer ertrunken und die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Grund für die Zunahme der Geflüchteten 2023 seien machtpolitische Interessen. In Tunesien habe sich aufgrund der dortigen Wirtschaftskrise die Lage der Geflüchteten aus der Subsahara massiv verschlechtert. Der zunehmend autokratisch regierende Präsident Saied ordnete Massenverhaftungen von bis dahin Geduldeten an. Zum Teil wurden die Verhafteten in die Wüste gefahren und dort ausgesetzt. Dies habe zu einer Massenflucht in Richtung Europa geführt.

Noch schlimmer als in Tunesien sei die Situation in Libyen, sagt Ulonska, und belegt seine Ausführungen mit Bildern, die für die Anwesenden schwer zu ertragen sind. Die Augen der Frauen, die auf einem Sklavenmarkt dargeboten werden und derer, die in Lagern interniert sind, lassen nur annähernd die Verzweiflung der Menschen erahnen. Verstörend sind auch die Filmaufnahmen aus einem Flugzeug, die das Vorgehen der libyschen Küstenwache mit von der EU finanzierten Schiffen zeigen. Diese rammen die überfüllten Boote absichtlich, damit die Geflüchteten ins Wasser fallen, um an Bord genommen und wieder nach Libyen zurückgebracht werden zu können.

Die Aufgabe seiner Besatzung sei es, Geflüchtete, die von Schleppern in Lebensgefahr zurückgelassen wurden, mit Rettungswesten auszustatten, medizinisch zu versorgen und die Küstenwache zu alarmieren, damit diese die Menschen an Land bringt. Die Rettung erfolge oft im Morgengrauen, womit dieses deutsche Wort eine ganz neue Bedeutung für ihn gewonnen habe, so Kapitän Ulonska.

Gerührt wirkt Ulonska als er von der Freude der Geretteten erzählt, die sich an Bord seines Schiffes endlich wieder wie Menschen behandelt fühlen. Und er überrascht mit Schilderungen über die Hilfsbereitschaft der Einwohner von Lampedusa, deren Wut sich nicht auf Geflüchtete, sondern auf die Regierung in Rom richte. Befragt nach seiner Motivation, dieser schwierigen ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen, erzählt Ulonska, dass er nicht mehr nur „man müsste etwas tun“ sagen wollte. Da er sämtliche Schiffspatente und viel Erfahrung in der Seefahrt besaß, entschloss er sich im Ruhestand Menschen vor dem Ertrinken zu retten.

Im anschließenden Gespräch mit dem Publikum verneint Ulonska die Frage, ob die zivile Seenotrettung aus seiner Sicht dazu beiträgt, dass Menschen sich auf den Weg nach Europa machen, mit Hilfe von deutlichen Zahlen. So retten die NGOs nur rund zehn Prozent aller Geflüchteten. 90 Prozent von ihnen werden von der Küstenwache aufgefischt.

Angesprochen auf die Kriminalisierung der zivilen Seenotretter in Italien zeigt sich Ulonska gelassen. Das Recht zur Seenotrettung sei so eindeutig, dass bislang alle Verfahren straffrei ausgegangen seien. Problematisch sei es hingegen, dass immer wieder Geflüchtete willkürlich als Schlepper verurteilt würden, wenn sie beispielsweise auf der Überfahrt den Motor steuerten. Dann bekämen sie, vor allem in Griechenland, absurd hohe Haftstrafen.

Zum Schluss analysiert Ulonska dass nur rund zwei Prozent der Geflüchteten in Afrika, die aufgrund von Krieg, Terror, persönliche Verfolgung, Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit aus ihrem Heimatland flüchteten, überhaupt den Weg nach Europa antreten. Deshalb forderte er einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik und die Anerkennung der Tatsache, dass die Flucht nach Europa nicht zu verhindern sei. Der Vortrag wurde im Rahmen der interkulturellen Woche vom Freundeskreis Asyl, dem evangelischen Bildungswerk, der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Rottweil und Amnesty International Rottweil veranstaltet.

Pressemitteilung (pm)
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3 Kommentare
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Lou
1 Monat her

Man muss sich schon fragen, was denn die ganzen Seenotretter machen wenn alle Flüchtlinge in Europa untergekommen sind? Gehen die Retter dann ganz normal zum Arbeiten, oder darf der Zustand nie eintreten weil dann nichts mehr zu retten gibt? Oder anders herum gefragt machen die “Retter” gemeinsame Sache mit den Schleuser? Sind 2 Geschäftsmodelle die sich gegenseitig benötigen. Ist nur ein Gedanke keine Verdächtigung!

Fred
Antwort auf  Lou
1 Monat her

Diese rhetorische Frage zur gemeinsamen Sache wurde doch längst beantwortet. So langsam wachen selbst die Rotgrünen auf.

Lou
Antwort auf  Fred
1 Monat her

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