(Meinung). „Schrecklich. Kraftlos, keine Nerven mehr“ – wir haben diese Worte schon öfter zitiert, sie verlieren nicht an Dramatik. Sie stammen von einer Leserin, wurden Anfang Mai im Rahmen einer NRWZ-Umfrage niedergeschrieben. Ich glaube, dass sie die aktuelle Stimmung bei vielen widerspiegeln. Ich glaube aber auch, dass wir als Gemeinschaft, als Gesellschaft diesem Gefühl möglichst nicht nachgeben sollten. Dass wir ihm die Hoffnung entgegen setzen sollten.
Zugleich ist mir klar, dass Einkaufen zu gehen aktuell nicht leicht fällt. „Das macht mit Mundschutz einfach keinen Spaß“, sagte ein Freund unlängst zu mir, und er hat recht. Habe es zuletzt mal ausprobiert bei meinen beiden Lieblings-Einzelhändlern für Herrenmode in Rottweil.
Da betrete ich den Laden – und die Verkäuferin schreckt instinktiv zurück. Sie muss von Gesetz wegen Abstand halten, das ist mir klar, aber ich komme mir vor wie ein Aussätziger. Gehe ich rechts entlang, weicht sie nach links aus. Als würde ich penetrant stinken.
So streife ich an der Frühjahrskollektion entlang, die mich eigentlich in den Laden gelockt hat – fröhliche Farben, gelb und orange vorwiegend. Aber die wollen so gar nicht zu mir passen. Es sind keine knallgelben und leuchtend orangefarbenen Zeiten.
Ich verlasse das Geschäft – ohne einen Einkauf und mit einem schlechten Gewissen.
Im nächsten Laden ist nicht viel besser. Die Verkäuferinnen hier wie dort sind freundlich wie gewohnt, haben alle ein persönliches Wort für mich, man kennt sich. Und doch fühlt sich alles nicht echt an. Nicht gut. Hinter Mundschutz, eben.
In Laden zwei finde ich das gewünschte: eine hellgraue, leichte Jacke. Hellgrau ist meine Farbe dieses Frühlings. Die lässt sich später bestimmt mit etwas leuchtendem kombinieren, wenn die Zeit dafür reif ist.
Jetzt ist sie so grau, wie sie ist, genau richtig.
An der Kasse aber passiert nun etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich bekomme einen Blumentopf geschenkt. Mit blühenden Blumen darin (fragen Sie mich nicht, was für welche. Blumen, eben). Die Verkäuferin streckt sie mir an der Spuckschutzscheibe vorbei entgegen. Wie einem Aussätzigen, aber die Geste nimmt dem ganzen Geschehen das Traurige. Wir lachen. Und für dieses Lachen gibt es noch schicke Socken oben drauf. Ich darf mir die Farbe aussuchen, sie assisiert.
Wir quatschen und lachen, niemand denkt an Aerosole und Ansteckung. Dieser Einkauf wirkt nach.
Was ich damit nicht sagen will: dass der Schutz vor dem Coronavirus Unsinn wäre. Ich halte mich an die Auflagen, an die Kontaktbeschränkungen, an die Mundschutzpflicht. Und ich empfinde den Mundschutz nicht als Maulkorb, nicht als Gängelung, sondern als absolut notwendig.
Was ich damit sagen will: dass wir angesichts der Lage möglichst nicht klein beigeben sollten. Sondern dass wir gerade jetzt einkaufen gehen sollten. Und zwar nicht bei den großen Versendern vom Sofa aus, sondern bei den Einzelhändlern vor Ort. Diese brauchen unsere Unterstützung, brauchen uns als Kunden mehr denn je.
Jetzt zeigt sich, wie wichtig Zusammenhalt ist. Ob’s nun Blumen und Socken obendrauf gibt oder nicht.