SCHRAMBERG, 13. Oktober (him) – Die Geschäftsleitung von Carl Haas – einem Unternehmen der Kern-Liebers-Gruppe – will, dass die Mitarbeiter auf den Lohn von 16 Stunden auf dem Zeitarbeitskonto verzichten. Das hat Geschäftsführer Hannes Steim bei einer kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung am 7. Oktober gefordert. Außerdem will Steim den Arbeitgeberverband verlassen, um „mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten“ zu erreichen.
Wie berichtet, hatte Anfang September die KL-Geschäftsleitung – auch im Namen von Carl Haas – zunächst drei Stunden unbezahlte Mehrarbeit und den Verzicht auf 16 Stunden vom Zeitarbeitskonto erhoben, dann aber einen Rückzieher gemacht.
Bei der Betriebsversammlung am Dienstag hat Steim aber erklärt, er wolle die 16 Stunden, um den Standort Sulgen konkurrenzfähig zu halten. Dabei hat das Schramberger Traditionsunternehmen Carl Haas erstmals seit langem wieder Gewinne gemacht, wie Steim in einem Pressegespräch am Montagnachmittag betonte.
IG-Metall und Betriebsrat hatten die Forderung Steims zurückgewiesen.
Steim hat daraufhin mit Mitarbeitern Einzelgespräche geführt, um von ihnen die Zustimmung zum Verzicht auf die 16 Stunden zu erhalten, ein Vorgehen, das Belegschaftsmitglieder als “absolute Sauerei“ bezeichnen, die Belegschaft sei so „massiv unter Druck gesetzt“ worden.
Steim erklärt dagegen, er habe ein „klares Bekenntnis zum Standort Lienberg-Oberreute“ abgegeben und versichert, dass die Arbeitsplätze an diesem Standort und im Werk in der Talstadt an der Berneckstraße sicher seien. Allerdings hatte Carl Haas im vergangenen Jahr 30 Arbeitsplätze gestrichen. Er wolle in den kommenden anderthalb Jahren 1,5 Millionen Euro investieren und bat deshalb um den 16-Stunden-Beitrag seiner Belegschaft mit 121 Beschäftigten. Dadurch erspare das Unternehmen 53.000 Euro, rechnete Steim Junior vor, eine Summe die gerade mal drei Prozent der versprochenen Investitionssumme ausmacht.
In den Einzelgesprächen habe er 109 Zustimmungen und neun Absagen zu seinem Plan erhalten. Für Steim ein Signal an die Konzernleitung und den Verwaltungsrat des Mutterkonzerns Kern-Liebers, das dort auch schon sehr positiv aufgenommen worden sei. Der Gewinn bei Carl Haas sei noch viel zu gering, um Investitionen aus eigener Kraft zu schultern: „Da hängen wir immer noch am Tropf der Muttergesellschaft.“
Den Austritt aus dem Arbeitgeberverband begründet Steim damit, dass bei der Betriebsversammlung sehr persönliche Angriffe von der IG Metall erfolgt seien, „die ich mir nicht gefallen lassen muss.“ Wichtiger ist ihm aber, dass er wegen der 35-Stunden-Woche keine Möglichkeit habe, die Schichten im Betrieb sinnvoll zu gestalten. Die Quote von 17 Prozent Mehrarbeit sei ausgeschöpft.
Dieses Argument will der IG Metallbevollmächtigte Reiner Neumeister nicht gelten lassen. Steim habe ‘darüber mit der IG-Metall noch nie geredet.“ Er sieht in der Aktion einen „Profilierungsversuch eines jungen Geschäftsführers“, der wohl nicht beachte, dass Tarifverträge nachwirken und weiter gelten, auch wenn Carl Haas den Arbeitgeberverband verlasse. In einem solchen Fall werde die Gewerkschaft sofort Verhandlungen über einen Anerkennungstarifvertrag aufnehmen.
Steim Junior solle auch bedenken, dass er beim Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband sofort jede Auseinandersetzung direkt in seinem Betrieb habe: „Denn dann ist er Tarifpartei.“
Die von Steim geführten Einzelgespräche kritisiert Neumeister scharf: „Hannes Steim hat Menschen in einer schwierigen Lage erpresst, ihm Geld zu geben.“
Auch Betriebsrätin Petra Bühler, die am Pressegespräch teilnahm erklärte, sie glaube nicht, dass Steim für seine 16-Stundenforderung in geheimer Abstimmung eine Zustimmung erhalten hätte. „Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes steht für die Mitarbeiter im Vordergrund.“ Viele bei Carl Haas seien schon seit Jahrzehnten im Unternehmen und hätten Sorge, einen anderen Job zu finden.
Dem widerspricht Steim, er sieht keine weitere Möglichkeit des Personalabbaus, weil sonst der Betrieb nicht mehr arbeiten könnte. „Die Arbeitsplätze sind sicher, da braucht sich keiner Sorgen zu machen.“ Wegen der nahezu herrschenden Vollbeschäftigung in der Region könne er auch nicht bei Gehältern oder Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ansetzen: „Sonst laufen mir die Leute davon.“ Er versprach auch, keine Leiharbeiter einzusetzen.
Die IG-Metall will am Montagabend mit den Mitgliedern von Carl Haas über Gegenmaßnahmen beraten. Bei der Gewerkschaft hat man die Sorge, dass die Kern-Liebers-Konzernleitung versuche, in kleineren Einheiten den Verzicht durchzudrücken, um die Maßnahmen dann auf den gesamten Konzern auszudehnen.