Tuttlingen am Freitagabend: Ein 24-Jähriger dreht nach einem Kneipenbesuch – den er nicht hatte bezahlen können – durch und bewaffnet sich mit einem Samuraischwert. Mit dem kehrt er zu der Kneipe zurück und drischt auf die Fensterfront ein, das Glas zerbirst. Erst ein Polizist kann den Mann stoppen – mit einem Warnschuss aus der Dienstpistole. Der Mann kommt in die Arrestzelle – aber am nächsten Morgen schon wieder frei. Obwohl er keinen festen Wohnsitz in Deutschland hat. Wie kommt es dazu? Und hat er sein Schwert etwa wieder bekommen?
Es ist der späte Abend des 30. Oktobers. In einer Kneipe in der Tuttlingen Innenstadt trinkt ein 24-Jähriger – und kann anschließend die Zeche nicht bezahlen. Das Lokal verlässt er durch ein Toilettenfenster. Wenige Minuten später kehrt der 24-Jährige mit einem Samuraischwert zu der Gaststätte zurück, zertrümmert die Fensterfront sowie die gläserne Eingangstür. Die schnell angerückte Polizei kann dem Spuk ein Ende bereiten – mit einem Warnschuss.
Es gab wohl keine andere Möglichkeit: Nachdem die Polizisten Pfefferspray eingesetzt hatten, um den aufgebrachten Mann zu bändigen, hob der 24-Jährige das Samuraischwert mit beiden Armen über seinen Kopf und ging damit drohend auf die Polizisten zu.
Das bestätigt die Staatsanwaltschaft Rottweil auf Nachfrage der NRWZ: „Der Beamte hat in einer Notwehrsituation geschossen“, ist die Sache für Presse-Staatsanwalt Frank Grundke eindeutig. Der 24-Jährige habe, nachdem die Polizisten sich ihm in den Weg gestellt hatten, das Schwert über den Kopf gehoben. Dann schoss einer der Beamten. Und der Mann legte die Waffe beiseite. Verletzt wurde niemand.
Die Polizisten haben den Mann festgenommen. Er wurde ärztlich untersucht, kam in eine Arrestzelle und am nächsten Morgen wieder frei. „Warum?“, fragen sich unsere Leser. Denn der Mann kann keinen festen Wohnsitz in Deutschland vorweisen.
Handyvideo von der Tat in Tuttlingen. Quelle: Youtube
„Wir haben das rechtlich geprüft“, so Staatsanwalt Grundke auf Nachfrage, es handele sich „um keine Tat, die einen Haftbefehl rechtfertigt.“ Den Schwertangriff, von dem es ein wackeliges Handyvideo gibt, hat die Ermittlungsbehörde als Sachbeschädigung gewertet. Nicht als versuchten Totschlag. Denn diesen Straftatbestand zeichnen ein paar Merkmale aus – „wovon eines“, so Grundke, „nicht gegeben war.“ Der Sprecher der Rottweiler Staatsanwaltschaft führt das gegenüber der Presse nicht weiter aus. In dem Handyvideo ist nur zu sehen, dass sich die Gewalt des Mannes gegen die Glasfront der Kneipe richtet. Sachen, eben. Sachbeschädigung, damit.
Und der Polizist, der dann schoss, der war doch vorher bedroht worden? Grundke geht darauf nicht ein, wiederholt nur, dass seine Kollegen den Fall rechtlich geprüft und gewürdigt hätten.
Und hat der Mann jetzt etwa sein Samuraischwert wieder? Um damit jederzeit wieder losschlagen zu können? Der Staatsanwalt gibt dazu keine Auskunft, verweist auf die Polizei. Der zuständige Beamte in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in Tuttlingen recherchiert kurz und kann dann Entwarnung geben: Das Schwert hat die Polizei beschlagnahmt. Es werde wohl eingezogen, der Mann jedenfalls bekomme es keinesfalls wieder. Allerdings müssten noch die Eigentumsverhältnisse geklärt werden – woher das Samuraischwert stammt. Gegebenenfalls kann es der rechtmäßige Besitzer, wenn es sich dabei nicht um den 24-Jährigen handelt, wieder haben.
Der Wohnsitzlose ist jedenfalls wieder auf freiem Fuß, zum nicht hundertprozentigen Verständnis mancher unserer Leser. Woher er denn stamme, wenn er anderswo als in Deutschland eine Adresse habe, will die NRWZ noch wissen? „Nicht aus Syrien“, lässt sich Staatsanwalt Grundke entlocken, mehr nicht.