„Ich will hier keine Asylanten“, sagt ein älterer Herr apodiktisch in den Mozartsaal der Donauhallen hinein. Mehr als 500 Menschen haben sich hier zu einer Art Flüchtlingsgipfel versammelt. Doch die Wortmeldung wirkt irreal, längst sind Fakten geschaffen: Donaueschingen ist mit derzeit insgesamt 2700 Flüchtlingen die Asyl-Hochburg im Regierungspräsidium Freiburg. Demnächst werden es 3000 sein – bei 15 000 Einwohnern in der Kernstadt.
Der ältere Herr steht auf ziemlich verlorenem Posten. Der Beifall fällt spärlich aus. Donaueschingen zeigt ein freundliches Gesicht, die Mehrheit in der Stadt strahlt Zuversicht aus.
Fast scheint es, als müssten die Bürger ihren Oberbürgermeister Erik Pauly (CDU) beruhigen. Der hat Brandbriefe an Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Kretschmann geschrieben, klagt zum Auftakt des Infoabends über eine „Gefährdung des sozialen Friedens“ und sieht auch die Konversionspläne für die Kaserne, wo derzeit in der Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (Bea) allein 2340 Menschen untergebracht sind, gefährdet. Schließlich warnt der OB vor einem Rechtsruck bei den Landtagswahlen. „Man fühlt sich nicht wohl“, sagt Pauly.
Vize-Regierungspräsident Clemens Ficht sagt zwar die Unterstützung für den Konversionsprozess zu – die Stadt plant in der früheren Kaserne sozialen Wohnungsbau -, aber er lässt keinen Zweifel: „Die Flüchtlinge haben höchste Priorität.“ Und angesichts von täglich rund 1400 Asylbewerbern, die Baden-Württemberg aufnehmen müsse, sei ein Ende der Kasernen-Belegung nicht absehbar. „Wir arbeiten alle an der Grenze“, sagt Ficht. Er kündigt an, dass in Donaueschingen eine Außenstelle des Bundesamts für Migration (Bamf) aufgebaut werden soll, damit die Flüchtlinge hier auch Asylanträge stellen können. Und er betont: „Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen ginge gar nichts.“
Als ein anderer älterer Herr aufsteht und beklagt, dass junge Asylbewerber teure Handys besäßen und jungen Mädchen nachstellen, erhält auch er wenig Beifall, aber viel Widerspruch. Vor allem Helfer, die viel mit Flüchtlingen zu tun haben, erklären unter viel Applaus, sie hätten nur gute Erfahrungen gemacht.
Ralf Thimm, Leitender Polizeidirektor im Polizeipräsidium Tuttlingen, bestätigt, dass bisher keinerlei Beschwerden von jungen Frauen vorlägen. Er verweist Gerüchte aus sozialen Medien in den Bereich der Fabel und macht den Unterschied zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl, das auf Angst beruhe, und dem objektiven, also tatsächlichen Sicherheitsgefühl deutlich. Thimm stellt die umfangreichen Maßnahmen der Polizei vor und erklärt die Bereitschaft, jederzeit zu helfen. Offen stellt er die bisherige Polizeibilanz der Bea vor: sieben Gewahrsamnahmen wegen Trunkenheit, 35 Straftaten, davon 25 Ladendiebstähle, vier Demonstrationen der Flüchtlinge, 19 sonstige Einsätze, sieben Körperverletzungen innerhalb der Bea. Für den erfahrenen Polizisten kein Grund zur Beunruhigung: „Das ist nicht signifikant. Wenn sich die Bevölkerung erhöht, steigt immer auch die Zahl der Straftaten.“
Thimm erhält ebenfalls viel Beifall. Auch als die Frage auftaucht, wie man sicherstellen könne, dass unter den Flüchtlingen kein Terrorist sei. Anhänger der IS, erklärt er, würden kaum den lebensgefährlichen Weg von Flüchtlingen auf sich nehmen, sondern hätten andere Möglichkeiten.
Aber Clemens Ficht und Ralf Thimm machen klar: „Wie überall im Leben gibt es auch hier keine 100-prozentige Sicherheit.“
Donaueschingen und seine Flüchtlinge
Bis Anfang August standen die früheren französischen Kasernen unweit der Donaueschinger Innenstadt leer. Der Gemeinderat forderte noch im September in einem einstimmigen Beschluss eine Höchstgrenze von 1500 Flüchtlingen und eine zeitliche Begrenzung bis zum kommenden Sommer, um die Konversionspläne mit Sozialwohnungen weiterentwickeln zu können. Doch das Land lässt sich darauf nicht mehr ein. Inzwischen sind in der dortigen Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (Bea) 2340 Flüchtlinge untergebracht. Demnächst sollen die Zahl auf 2700 erhöht werden, womit alle Kapazitäten ausgeschöpft wären.
Außerdem sind an verschieden Stellen der Stadt 300 vom Landkreis zugewiesene Asylbewerbner untergebracht. Hinzu kommen demnächst 24 unbegleitete Flüchtlinge, die demnächst im früheren Schwesternwohnheim des Krankenhauses untergebracht werden.