Dieter E. Albrecht ist jetzt 50 Jahre alt. Ein guter Zeitpunkt, sich zu verändern, meint der Stadtrat und Unternehmer. Er hat angekündigt, sich aus all seinen Ämtern zurückziehen zu wollen. Jedenfalls aus fast allen. Und fast für immer.
Rottweil. Wer Dieter E. Albrecht kennt, glaubt ihm nicht – dass er tatsächlich eine Auszeit nimmt, dass er sich rausnehmen wird aus all seinen Ämtern etwa im Gemeinderat und in verschiedenen Rottweiler Vereinen. Martin Hielscher, Stadtrat der Freien Wähler, ist so einer, der Albrecht kennt, und er sagte ihm ins Gesicht: „Warum tust Du das, Du brauchst das doch“, also die Ämter und Posten, die Aufmerksamkeit, die Möglichkeit, was zu tun und zu bewegen.
Das schon: die Möglichkeit, etwas zu tun und zu bewegen. Bloß: „Ich habe jetzt 20 Jahre lang mit 350 bis 355 Arbeitstagen im Jahr mein Unternehmen aufgebaut“, so der Autovermieter, Ölspurbeseitiger, Abschlepp- und Schlüsseldienstleister. Und der Job, der unplanbar ist, weil die Kunden mit ihren Notfällen den Tagesrhythmus bestimmen, der hat Raum gelassen für ehrenamtliches.
Albrecht ist im Vorstand der Ökumenischen Kinder- und Jugendförderung und der Stiftung Rottweiler Bürger in Not – zwei Ämter,die er behalten will –, des Rottweiler Kinder- und Jugendvereins (gibt er per sofort auf), im Verwaltungsrat des Abschleppunternehmen-Zusammenschlusses Assistance Partner (gibt er zum Amtsende 2016 auf), im Gemeinderat und in der Folge im Aufsichtsrat der ENRW. Den Stadtratsposten will er niederlegen, seine letzte Sitzung soll am 9. Dezember sein. Dann soll ihm der Göllsdorfer Ortsvorsteher Wolfgang Dreher nachfolgen. Somit soll 2016 einem Teil-Sabattical nichts mehr im Wege stehen. „Der Chef macht ab 2016 100 Tage Urlaub im Jahr“, hat er seinen mutmaßlich erstaunten Mitarbeitern bei der vergangenen Weihnachtsfeier verkündet. Doch auch das müssen diese nicht so supereng sehen: Den Urlaub nimmt Albrecht nicht am Stück. Und er will unterwegs auch erreichbar sein. Unterwegs mit seinem neuen Wohnanhänger, einem Bürstner Averso Plus 440 TK. Mit Autarksystem, Abwassertank und Motorroller-Halterung. Gebraucht erstanden, Albrecht ist Schwabe.
Sein Ziel und das seiner Partnerin, wahlweise auch seiner drei Kinder: „Ganz Europa.“ Schweden und Norwegen, die Atlantikküste, Italien. Je nachdem, wo gerade welche Temperatur oder Mückenplage herrscht, was Albrecht beides nur in Maßen mag.
Und zur Oberbürgermeisterwahl 2019 ist er dann zurück, nachdem er schon 2001 und 2009 angetreten ist? „Nein, ich werde nicht mehr kandidieren“, legt Albrecht sich fest. Es könne sein, dass ihn nochmal die Lust packe, Stadtrat zu werden. Aber auch das sei nicht sicher.
Das Ganze klingt nach Sandalen und Sonne, nach dem Bedarf nach Ruhe, hat aber einen eher ernsten Hintergrund. Nicht jetzt der Tod von Bürgermeister Werner Guhl, „dieser“, sagt Albrecht, „hat mich eher in meinem Vorhaben bestätigt.“ Nein, vielmehr der frühe Tod seines Vaters mit 50 Jahren, dem Alter, das Albrecht jetzt erreicht hat. Dieser habe sich „den A… aufgerissen“ und sei „mit nichts gestorben.“ An einer Herzerkrankung einfach bei einer Kur eingeschlafen in einem Sessel im Gemeinschaftszimmer mit TV. Unbemerkt von den Umsitzenden. Im selben Alter, in dem sein Sohn jetzt ist. Doch hat dieser mit seinem Leben noch was vor.
Ob er das aber umsetzen kann, ohne Ehrenamt und Aufmerksamkeit zu leben? Albrecht behauptet: Ganz klar, ja. Seine Antriebsfeder sei eben nie die Aufmerksamkeit gewesen, sondern, wie er sagt, „Verantwortung und Nächstenliebe.“ Er finde den Sinn seines Lebens auch darin, anderen zu helfen. Dinge auf die Beine zu stellen, etwas zu tun. Doch will er genau damit jetzt einfach kürzer treten. Ganz gewollt, nicht spontan, seit zwei Jahren geplant. Mehr an sich denken und sein Wohnmobil und die Strecke vor ihm und das Ziel. In einzelnen Reisen, er kehrt ja auch immer wieder zurück. Oder vielleicht auch irgendwann nicht mehr. Dann bleibt er vielleicht „Dieter, der Weltenbummler.“ Wer weiß das schon.