Bei einer Online-Umfrage kann es jeder selbst testen: Ist er für oder gegen eine Justizvollzugsanstalt auf dem Esch bei Rottweil? Die Fragen sind ein bisschen suggestiv, das Ergebnis kann in einem bescheidenen Rahmen beeinflusst werden, repräsentativ ist es keinesfalls, und deshalb ist diese Schlussfolgerung gewagt: Die überwältigende Mehrheit scheint für das Gefängnis nahe der Neckarburg zu sein.

Das Ding nennt sich „Wahl-O-Mat“ und man kennt es aus Zeiten anstehender Landtags- oder Bundestagswahlen. Ein Online-Programm, das einem nach der Beantwortung einiger Fragen zur Wahl dieser oder jener Partei rät, je nach Übereinstimmung deren Wahlprogramme mit den Wünschen des Wahl-O-Mat-Benutzers.
Jetzt gibt es das auch für die JVA Rottweil. Für die künftige, die auf dem Esch nahe der Neckarburg entstehen, und über die am 20. September per Bürgerentscheid abgestimmt werden soll. Angeboten wird der Wahl-O-Mat vom „Bürgerforum Perspektiven Rottweil“ – einer erklärtermaßen für die JVA eintretende Organisation unter Vorsitz des umtriebigen Bankers Henry Rauner.
Das Forum sagt über sich: „Wir sind aktive und engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich offen und konstruktiv in das künftige Geschehen Rottweils mit einbringen möchten. Wir sind mit dem ersten Projekt ‚JVA Rottweil‘ gestartet. Die weitere Entwicklung des Bürgerforums hängt vom Engagement aller Teilnehmer ab.“
So sind auch manche Fragen so ein kleines bisschen suggestiv: Da wird etwa – der allenthalben positiv besetzte – ThyssenKrupp-Aufzugtestturm als Zeichen eines sich entwickelnden, modernen Rottweils gleichgesetzt mit einem neuen Gefängnis. Wer den Turm will, sollte auch die JVA wollen. Steht nicht da, kann aber so verstanden werden.
Andere Fragen aber werden auch die Gefängnisstandort-Gegner nicht beanstanden, denn sie können sie klar beantworten: „Sind Sie bereit für den Bau einer JVA eine Landschaftsfläche mit 120.000 qm zu verwenden?“, beispielsweise. Oder: „Sehen Sie durch die Bebauung mit einer JVA eine Beeinträchtigung des Naherholungsgebiets?“ Daran gibt es sicher nichts zu meckern. Das kann man bejahen, die erste Frage verneinen, und man wird am Ende erfahren, dass man die JVA nicht will.
Die Wahl-O-Mat-Macher bieten auch weiterführende Links zum Thema an. Wer auf „Mehr erfahren“ klickt, dem wird ein kleines Pro und Kontra der Argumente rund um die Gefängnisansiedlung geboten.
Interessant aber ist der allererste Trend – der noch umkehrbar ist, zumal die Software offensichtlich eine Mehrfach-Teilnahme erlaubt* und zumal sich die Gegner des Gefängnisses an der Online-Aktion vielleicht noch gar nicht beteiligt haben: Von 100 Teilnehmern bis Dienstagmorgen waren 84 für das Gefängnis auf dem Esch. Beobachter sehen das als einen überraschend klaren Trend. Das Stimmungsbarometer ändert sich fortlaufend, der Trend aber bleibt bislang.
Entscheidend ist dennoch in der Wahlkabine: Am 20. September können die Rottweiler Bürger per Bürgerentscheid abstimmen.
Info: Hier geht es zum Wahl-O-Mat des Bürgerforums.
*Update 9. September, 10.45 Uhr: Die Software erlaubt nicht die Mehrfachteilnahme auf ein und demselben Computer, Tablet oder Smartphone. Ein Nutzer kann allenfalls auf mehreren Geräten mehrfach teilnehmen.
So, wie der Artikel jetzt dasteht, suggeriert er, dass das die aktuellen Zahlen des Wahl-o-maten seien.
Das ist unrichtig, und sie sollten dringend immer den aktuellen Stand widerspiegeln. Tun sie das nicht, dann entsteht der Eindruck, dass es der Versuch einer Manipulation ist. Dies würde mich nicht weiter wundern, denn die gestellten Fragen sind so offensichtlich suggestiv, dass es fast schon lächerlich ist. Und Menschen haben nun mal die Tendenz, sich der Mehrheit anzuschließen. Und laut Wahl-o-mat (der obendrein in die eine wie die andere Richtung leicht manipulierbar ist!)ist die Zustimmung nicht so groß wie dargestellt.