Rottweil. „Gestern homs den Willy derschlogn“: Mit einem seiner größten Erfolge machte Konstantin Wecker am Donnerstag den Auftakt eines grandiosen Konzerts im Rottweiler Kraftwerk. Das ging gleich unter die Haut, seine Inbrunst ist auch nach 40 Bühnenjahren und einem wilden Leben samt Knastaufenthalten und Kokainproblemen weiter ungebrochen.

Aber auch sein Humor, denn zum Bühnenjubiläum lässt er die Katze aus dem Sack: „Der Willy lebt! Ihr könnt ihn sogar besichtigen!“ Samt den Narben, die er damals bei der Schlägerei mit Neonazis davon getragen hat, denn die fand wirklich statt. Also ab an den CD-Stand, den Willy für Wecker seit 20 Jahren betreibt. Oder besser doch sitzenbleiben, denn das Konzert ist ein wahrer Genuss.
Erst der Liedermacher am Klavier, dann taucht seine schöne Cellistin Fany Kammerlander auf, während Wecker aus seinem Leben plaudert – eine amüsante Geschichtsstunde von den 68ern über Feminismus und Friedensbewegung bis zur Griechenlandkrise. Denn Wecker ist immer noch ein Bewegter, ein Revoluzzer, singt gegen Rassismus und für Gerechtigkeit, mit herrlicher Poesie und wunderbaren Worten.
Und einer beeindruckenden Band. Pianist Jo Barnikel „ist der Beste“, sagt der Meister selbst, der mit Wolfgang Dauner, Charlie Mariano, Joan Baez oder Bettina Wegner und vielen anderen auf der Bühne stand, sogar Harry Belafonte am Klavier begleitete. Bloß dass der sich nimmer dran erinnert…. Barnikel, der Wecker seit 20 Jahren begleitet und nebenher noch wechselweise Gitarre, Akkordeon, Schlagzeug oder Trompete spielt. Wolfgang Gleixner, der am Schlagzeug sitzt, dort die Tuba auspackt, mal zur Gitarre oder dem Akkordeon greift. Eine unglaubliche Vielfalt, die mal den Blues – oder bayrisch den Wedam – hat, mal abrockt, mal melancholisch träumt oder sich fein jazzt, „übers Meer, den Vögeln hinterher“ und zwischendrin Marianos Zaubersaxophon einspielt.
Dazu Weckers Geschichten von seinen Anfängen als Chansonbegleiter in einer Schwulenbar, vom Möchtegernmacho in Nerzmänteln, von Kokainproblemen und Knastaufenthalten und von seinem Vater, einem erfolglosen Opernsänger, der ihm so viel gegeben hat. „Er war nicht auf den Bühnen der Welt zuhause, das war mein Glück. Er war zuhause.“ Seine Poesie oder die Rilkes, gelesen und gesungen mit wunderbar gerolltem R, seine Träume und der Schmidt-Widerspruch: „Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!“, da reißt er sein Publikum im restlos ausverkauften Kollossaal mit. Sein Traum von einer Welt ohne Grenzen, in der alle mit allen teilen – nein, Wecker muss nicht zum Arzt, seine Visionen sind Musik.
Weshalb er sich auch zur Zugabe bitten lässt, die dann am Ende eine Stunde dauert und zu der auch ein mit dem Publikum gesungenes „Die Gedanken sind frei“ gehört– Weckers verschärfte Version, denn in Zeiten von Google und Co stimmt das ja nicht mehr so ganz. Ein faszinierender Abend mit einem zwar gealterten, aber immer noch unglaublich frischen Liedermacher, der in 40 Bühnenjahren weder Feuer noch Stimme verloren hat und beides einsetzt, um die Welt ein wenig besser zu machen. Weil genug eben immer noch nicht genug ist.