Wo Zirkusse auftauchen, freuen sich die Menschen auf unbeschwerte Unterhaltung, aber hagelt es andererseits auch Kritik. Nicht erst seit der tödlichen Attacke eines freilaufenden Zirkuselefanten in Buchen wird den Betreibern der Zirkusse nicht-artgerechte, teils qualvolle Tierhaltung vorgeworfen. In Rottweil hat sich der Zirkus Charles Knie für den 22. und 23. Juli angekündigt – und seine Gegner machen bereits mobil. Der Zirkus sieht sich allerdings angesichts seiner vielen Besucher weiter auf dem richtigen Weg.

Rottweil (gg). Knie – das steht für uralte Zirkustradition. Auf die Dynastie Knie geht etwa der Schweizer National Circus Knie zurück. Und eben der Zirkus Charles Knie, 1995 gegründet. Seit 2006 gehört ihm kein Knie mehr an, da kaufte ihn der Groß- und Außenhandelskaufmann Sascha Melnjak, der ihn mit Verve, Erfahrung und Erfolg weiter betreibt. Alles bestens, in der schönen, heilen Zirkuswelt, möchte man meinen.
Doch seit der Zirkus Charles Knie sein Gastspiel in Rottweil ankündigt, hagelt es Kritik. Zunächst rückt die NRWZ als örtlicher Medienpartner bei einigen Lesern in den Fokus. So sei es nachvollziehbar, dass die örtliche Zeitung das Gastspiel ankündige, heißt es, aber es sei geschmacklos, dass sie ihn in Form etwa eines Gewinnspiels für Eintrittskarten unterstütze.
Eine der zurückhaltenderen Formulierungen liest sich im Originaltext so :
Lokale Angebote
Ich finde auch, dass man sowas nicht unterstützen sollte. Tiere zur Bespassung des Volkes zu missbrauchen… das ist so… überholt! Heute wissen wir das doch besser. Auch wenn die Tiere “gut” gehalten werden (wer definiert eigentlich was “gut” ist?)… sie gehören einfach nicht in einen Zirkus. Von mir aus noch die Akrobaten, die machen das aus freien Stücken, aber bitte keine Tiere!
Andere Kommentatoren sind weniger zimperlich, eine ruft zur Gewalt gegen das Zirkusunternehmen auf, ihr Beitrag wird deshalb von der NRWZ gelöscht. Zu finden sind die Kommentare auf der Facebookseite der NRWZ. Auch auf NRWZ.de werden wir von Lesern kritisiert. Dort heißt es etwa:
Mir wäre auch lieber gewesen, die NRWZ hätte für eine andere Veranstaltung Tickets verlost. Die Institution Zirkus ist wegen der Tierhaltung ja mittlerweile generell in der Kritik. Finde ich nicht gut, das zu unterstützen.
Ein Video wird gepostet, es soll rund ein Jahr alt sein und einen verhaltensgestörten Elefanten des Zirkus Charles Knie zeigen (hier ein entsprechendes):
Dazu heißt es:
Elefant im Zirkus Charles Knie, welcher offensichtliche Verhaltensstörungen zeigt:”Wissenschaftler deuten das Weben als Appetenzverhalten, das heißt als Ausdruck einer angeborenen Handlungsbereitschaft, ohne dass der Elefant das artspezifische Lokomotions- und Suchverhalten aufgrund der Gefangenschaft ausführen kann. Es entsteht fast ausschließlich, wenn Jungtiere zu früh von der Mutter getrennt und aus ihrem Sozialverband herausgelöst werden. Es kann also als Ausdruck einer Stresssituation gedeutet werden, in der alternative Verhaltensweisen – wiederum aufgrund der Gefangenschaft – nicht möglich sind.” (Quelle: Wiki)Mehr Informationen unter:http://www.upali.ch/stereotypien.html
Zugleich beteiligen sich mehr als 100 Zirkusfans am Gewinnspiel der NRWZ.
Es gibt sie also weiterhin, die Menschen, die sich für die Welt des Zirkus interessieren. Doch der Protest spitzt sich zu. Die “Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz (Tierschutzallianz)” kündigt für den 22.Juli in Rottweil beim Zirkus Charles Knie eine Mahnwache von 14.30 Bis 16 Uhr.

Nach dem gewaltsamen Tod des Spaziergängers in Buchen sei “das Thema raus aus der Nische und mitten in der Bevölkerung angekommen”, argumentiert der Tuttlinger Thomas Mosmann, Landesvorsitzender der Tierschutzallianz, in einer Mail an die NRWZ. “Die Zeit, in der die Menschen ihr sauer verdientes Geld zum Bestaunen überholter Dressurnummern herauswerfen, neigt sich dem Ende entgegen”, so Mosmann weiter. Aus ethischer Sicht gebe es keinerlei Rechtfertigung, Wildtiere zum Zweck des Gelderwerbes gefangen zu halten, zu dressieren und zum Vergnügen in der Manege vorzuführen. Der moderne Zirkus (von dem es bereits mehrere gibt) komme ohne Versklavung von Wildtieren aus, erklärt der Tierschützer.
Der NRWZ schreibt Mosmann ins Stammbuch:
Übrigens finden wir und viele andere es nicht förderlich, dass Sie in ihrem langen Artikel so für einen tierquälerischen Zirkus Werbung machen und auch noch Karten verlosen. Der Südkurier und andere Zeitungen ticken mittlerweile ganz anders …. mit Redaktionskommentaren wie: “Mit jeder Eintrittskarte unterstützt man Tierquälerei.”
Mosmann fordert ein kommunales Verbot für Zirkusse mit Wildtierhaltung. Die Zirkusunternehmen täten zudem gut daran, schon jetzt die Weichen dahingehend zu stellen, ihre Existenzen für die Zeit danach auf mehr Akrobatik zu verlagern, statt auf immer neue Dressuren zu setzen, so Mosmann weiter. Namhafte Unternehmen wie der Cique de Soleil machten es erfolgreich vor und seien Garant dafür, dass den Menschen künftig der Zirkusbesuch wieder Freude bereite, ohne dass Tiere leiden müssten.
Ein kommunales Zirkusverbot ist in Rottweil nicht angedacht. Aber die Stadtverwaltung weiß um das Problem. “Wir lassen in Rottweil relativ wenige Zirkusssen zu”, berichtet der städtische Pressesprecher Rottweils, Tobias Hermann. Die Stadt informiere sich im Vorfeld über den einzelnen Zirkus, der ein Gastspiel plane. “Den Zirkus Charles Knie kennen wir von früheren Gastspielen”, so Hermann. Bislang gebe es aus Sicht der Verwaltung keinen Anlass zur Sorge.

Das Auswahlverfahren der Stadt ist auch schon umgangen worden: Im September 2008 gastierte zur Überraschung vieler der Zirkus Alberti auf einem damals noch brachliegenden Gelände an der Nägelesgrabenstraße. Der private Eigentümer des Geländes hatte den kleinen Zirkus – ohne sich was Böses dabei zu denken, wie es heute heißt – auf sein Grundstück gelassen. Bei der Stadt hatte Alberti keine Chance.
2009 ist ein Elefant auch in Rottweil schon ausgerissen: Das Tier, das zum „Afrikas Big Circus“ gehörte, demolierte ein Auto. Der Sachschaden soll eher gering gewesen sein, der genannte Zirkus aber steht seit Jahren nachhaltig in der Kritik, sein Betreiber musste sich bereits wegen Tierquälerei vor Gericht verantworten.
Und nun der Zirkus Charles Knie – beileibe kein kleines Unternehmen wie die beiden genannten, oder gar ein windiges. “In einer guten Saison haben wir rund 500.000 Besucher”, berichtet der Charles-Knie-Pressesprecher Patrick Adolph. Allein jetzt, zu Wochenanfang, hätten in Frankfurt 1500 Menschen die Vorstellungen an zwei Tagen besucht. Der Pressemann sagt, es sei “beileibe nicht so, wie immer wieder von den Tierschützern dargestellt.” Sein Unternehmen arbeite nicht nur mit Top-Leuten in der Präsentation der Tiere zusammen, sondern auch mit gut ausgebildeten und erfahrenen Tierpflegern. “Diese sorgen dafür, dass es unseren Tieren gut geht, dass sie gut versorgt sind”, versichert Adolph.
So gelte das Argument nicht, die Tiere seien schon beim Transport hohem Stress ausgesetzt. “Wir haben Speicheltests bei unseren Tieren vornehmen lassen, sie verspüren keinen Stress”, so der Charles-Knie-Pressesprecher. Die Tiere seines Zirkusses seien seit Generationen an den Menschen gewohnt, “das sind keine Wildfänge mehr.” Sie seien angepasst, domestiziert. Keiner der Löwen sei gestern noch durch die Sawanne gestrichen und finde sich heute im Käfig wieder. Zudem habe sich der Umgang mit den Tieren in den vergangenen Jahrzehnten auch grundlegend geändert. “Da ist keines mehr angekettet”, so Adolph.
Der Zirkusmann argumentiert: “Der Erfolg gibt uns Recht.” Die Leute wollten den traditionellen Tierzirkus, wenn er gut gemacht sei. Die konstant hohen Besucherzahlen kämen schließlich nicht von ungefähr.
Seinen Gegnern unterstellt der Zirkussmann, sich nie mit der Tierhaltung bei Charles Knie beschäftigt zu haben. Ein Zirkus, der immerhin der zweitgrößte fahrende sei nach “Krone”, und der mit der größten Tierhaltung.
Dem Aufeinandertreffen mit den Tierschützern in Rottweil sieht Adolph gelassen entgegen. Sie seien schlicht in der Minderzahl. In der großen Mehrzahl seien die Zirkusfreunde, die gerne die Vorstellungen besuchten. Tatsächlich: Jüngst protestierten die Mitglieder der Tierschutzallianz in Villingen, vor den Toren des Zirkus Probst. 16 Aktivisten kamen da zu einer Mahnwache zusammen.
Im übrigen ist der tragische Tod eines Menschen, offensichtlich durch einen befreiten Elefanten, meiner Meinung nach durch die jahrelange Tierrechtshetze gegen den Zirkus entstanden.