„Er war ein hochintelligenter, schlauer und aufgeweckter Junge. Jeder hat gesagt, so einen Sohn hätt’ ich auch gerne.- aber plötzlich hat er sich verändert.“ Das erklärte eine Zeugin am dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht Rottweil gegen einen 35-jährigen Mann aus Tuttlingen, der sich wegen Mordes an seiner Mutter verantworten muss.
Die Frau, die sich als jahrzehntelange „Intimfreundin“ der Getöteten, bezeichnete, vermittelte tiefe Einblicke in das Leben des Beschuldigten und die Beziehung zu seiner Mutter; Die Probleme begannen schon während der Schwangerschaft, als der Mann und Vater wegen einer anderen Frau die Scheidung einreichte.
„Sie hat das nicht verkraftet“, berichtete die Freundin gestern. Trotzdem erlebte der Junge zunächst eine gute Kindheit Das lag daran, dass er nicht nur von Opa und Oma Liebe und Zuwendung erfuhr, sondern auch vom neuen Partner der Mutter.
Als aber auch diese Beziehung nach acht Jahren zerbrach und die Großeltern sowie weitere Bezugspersonen nacheinander starben, „ist es aus dem Ruder gelaufen“, so die Zeugin. Der Junge war damals 13, 14 Jahre alt. „Er ist unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen, war oft alleine und verängstigt und ist immer schwieriger geworden.“ Oft habe er geklagt: Ich habe keine Familie“ oder „Ich habe keinen Vater.“
Zu dem stellte dann die Freundin der Mutter einen Kontakt her. Es begann verheißungsvoll, aber als der Vater vom Drogenkonsum des Sohnes erfuhr, zog er sich wieder zurück. Die Mutter war alleine überfordert. „Sie hatten keinen Einfluss mehr“, sagte die Freundin.
Das Unheil nahm seinen Lauf, und je länger der Prozess dauert, umso deutlicher wird, dass es eine tiefere Ursache gibt: Angst. Seine Cousine hat ihn wenig gesehen und bekam auch nicht viel mit, aber eines ist ihr aufgefallen: „Er hat eine unheimliche Angst ausgestrahlt.“
Der junge Mann versuchte schon früh, diese Angst mit Alkohol und Rauschgift zu bekämpfen. Bereits mit 19 Jahren verlor er deswegen den Führerschein und bekam ihn bis heute nicht zurück.
Er wurde zum ewigen Studenten, schaffte schließlich mit guten Noten in Kassel den Master im sozialen Bereich und kehrte dann nach Tuttlingen zurück. Die Mutter kaufte ihm im September 2014 die Wohnung In Aspen unter der Voraussetzung, dass er seine Leben in Ordnung bringe.
Das missglückte von Anfang an total. Seine Ängste wurden schlimmer und ließen ihn immer mehr in den Drogensumpf abgleiten.
Auch davon berichteten zahlreiche Zeugen, vor allem seine Freunde, die vor Gericht einen sehr unterschiedlichen Eindruck hinterließen – von sehr offen bis sehr verstockt. Einer von ihnen sagte: „Er war ein Pol für mich.“
Andererseits: „Auf Partys und unter Menschen hat er es ohne Alkohol oder Drogen nicht ausgehalten.“ Fast alles habe er konsumiert, außer Crystal Meth und Kokain. Und den Master-Abschluss habe er nur mit Alkohol geschafft, so das Eingeständnis.
Wochen vor der Tat verschlechterte sich sein Zustand zusehends, und fast alle bekamen es mit. Er äußerte Ängste wegen „einer Entführung durch Außerirdische“, er sprach von „Teufelspakt und „Höllenaufseher“, beschuldigte einen Freund völlig grundlos, er wolle ihn mit der Armbrust umbringen, sah „seltsame Gestalten“ vorm Haus und alarmierte die Polizei, obwohl er gleichzeitig Angst hatte, sie bemerke seinen Drogenkonsum und nehme ihn mit.
Einer der Freunde war mit ihm kurz vor jenem verhängnisvollen 12. Dezember auf dem Weihnachtsmarkt in Engen und stellte „eine Endzeitstimmung“ fest.
Die Polizei fand bei der Untersuchung seines Computers heraus, dass er am Tattag in Drogen-Foren unterwegs war und nach Begriffen wie „Voodoo“, „Geisterbeschwörung“ oder Dämonen“ suchte.
So verwirrt er auch war, eines war er, so die einheitlichen Aussagen, nie: aggressiv. Im Gegenteil, als ihn einer seiner Freunde tätlich angriff, ließ er es geschehen und verteidigte sich nicht.
Der Prozess wird am 25. August um 9 Uhr fortgesetzt.