Rottweil – Mit wenig etwas Eindrucksvolles zustande bringen – das nennt man landläufig „zaubern“. In diesem Sinne haben die Leiterin der Städtischen Museen Martina Meyr und ihr Team wahrlich gezaubert: Ohne Extrabudget haben Sie die Corona-Zwangspause genutzt und das Stadtmuseum umgestaltet. Haben es frischer, spannender, einladender gemacht. Ab 1. August ist es wieder geöffnet.
Das waren noch Zeiten: In Reihe standen da Frauen (nicht die Mütter, wie uns eine Leserin dankenswerterweise berichtete, die warteten nämlich im Zimmer zuerst auf den „Muttersegen“) mit Neugeborenen, die – salopp gesagt – in einem Aufwasch getauft wurden. Der Begriff „Babyboomer“ wird viel lebensnäher, konkreter, wenn man diese Aufnahmen aus den 1960er Jahren sieht. Sie stammen aus dem Spital, dem nun in Stadtmuseum ein eigener Raum gewidmet ist.
Er lädt ein, anhand von Fotos und Objekten zu entdecken, was der „Spitel“ für Generationen von Rottweilern bedeutete – ob mit einer top modernen Geburtsstation in den Nachkriegsjahren, oder später als Seniorenheim.

Ähnlich gepackt wird der Besucher auch nebenan. Da locken Flaschen mit Rottweiler Fasnachts- und Weihnachtsbier – am liebsten würde man gleich damit anstoßen. Solche Utensilien machen die Rottweiler Brautradition anschaulich. Und Dokumente zeigen, wo überall es in der Stadt einst Gasthäuser gab. Wow! Damals wurde halt noch nicht mit dem kleinen Leuchtkasten „Smartphone“ kommuniziert. Man traf sich, wie weise, einfach im Wirtshaus.



Auch die Zünfte und das Handwerk bekommen nun mehr Raum. Die einstige Schuhmacherwerkstatt Ludwig Fuxloch ist bis zum Regal voller Leisten wieder aufgebaut – jetzt kann man überprüfen, wer seinerzeit auf wortwörtlich großem Fuße lebte. Alles liegt so lebensecht parat als würde der Meister gleich wieder die Brandsole anhämmern.


Solche „Hingucker“ gibt es im neu gestalteten Stadtmuseum reichlich. Auch in der wieder freundlich hellen „Altertumshalle“ im Erdgeschoss, die sich als Veranstaltungsraum empfiehlt.
Hier gibt es neue Themenblöcke etwa zu Wohnen und Stadtentwicklung. Und Objekte, die man lange bestaunt. Die Hofgerichtsscheibe von 1573 etwa, die nun hinterleuchtet ist und haarfeine Details preisgibt. Oder den signierten Fußball, mit dem beim 450jährigen Jubiläum des „Ewigen Bundes“ 1969 der VfB Stuttgart in Rottweil die Young Boys Bern besiegte.
Martina Meyr und ihr Team haben die Corona-Pause genutzt und mit viel Einfallsreichtum umgesetzt, wofür andernorts erstmal teure Planungsteams und Museumsdesigner vorarbeiten würden: Sie haben die Zwangsschließung Mitte März als Ansporn genommen, die Präsentation aktualisiert und entstaubt – im übertragenen wie im Wortsinne. Der Hofgerichtsstuhl etwa wurde gereinigt – nun erkennt man sogar Reste der Farbfassung wieder.

Dafür, dass alles in so knapper Zeit gestemmt werden konnte, dankte bei einem Pressegespräch mit der NRWZ Museumsleiterin Martina Meyr ihrer Mannschaft – von Norman Denkert, der sich um die Haustechnik gekümmert hat, über Martina van Spankeren-Gandhi, Ulrike Kammerer und Astrid Wallkamm bis zu Cornelia Votteler, die noch kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand dieser Tage ihre reiche Expertise einbrachte.
Das sollte jedoch nicht überdecken, dass die Konzeption maßgeblich auf Martina Meyr zurückgeht. Sie hat auch ohne Sonderbudget mit enormem Schwung nach dem Dominikaner- nun auch das Stadtmuseum erheblich vorangebracht. Die Neugestaltung lässt erahnen, wie das Stadtmuseum leuchten könnte, wenn man Geld etwa für eine fundierte Inventarisierung sowie ein zeitgemäßes Lichtkonzept in die Hand nähme. Aber das klingt nach Jahrzenten der Dauerdiskussion über das stets knapp gehaltene Stadtmuseum nun wirklich nach Zauberei.
