Der Bundesgerichtshof hat schneller gesprochen als erwartet und die Revision verworfen: Das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 17. Juni dieses Jahres gegen den früheren Chef der Bösinger Fleischwaren GmbH wegen Betrugs und Untreue ist rechtskräftig. Das heißt: Er muss seine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten unwiderruflich antreten. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Staatsanwaltschaft Rottweil seiner habhaft wird.
Zuletzt gab es verschiedene Indizien, dass sich der 62-Jährige zusammen mit seiner geschiedenen Frau ins Ausland abgesetzt hat. Bisher durfte er sich noch frei bewegen, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig war und er deshalb als unschuldig galt. Das hat sich jetzt grundlegend geändert, die Schonfrist ist vorbei.
Beate Philipp, die für Vollstreckung zuständige Staatsanwältin, erklärt, die Mitteilung des Bundesgerichtshofs sei gerade erst eingegangen. Anfang der kommenden Woche werde der frühere Geschäftsführer angeschrieben und zum Haftantritt aufgefordert, Dabei werde in der Regel eine drei- bis vierwöchige Frist eingeräumt. Falls er sich dann nicht melde, werde er zur Fahndung ausgeschrieben.
Die Frage ist, ob der 62-Jährige überhaupt bereit ist, ins Gefängnis zu gehen? Einer, der seinen Aufenthaltsort kennen müsste, ist sein Verteidiger. Die Stellungnahme von Rechtsanwalt Torsten-Rolf Kießig aus Villingen ist interpretierbar. Er sagt auf Anfrage nicht: Mein Mandant ist zum Haftantritt bereit. Er sagt auch nicht: Ich weiß es nicht. Er sagt: „Ich bin als Verteidiger zur Verschwiegenheit verpflichtet. Und solange ich davon nicht entbunden werde, kann ich nichts sagen.“
Vieles spricht dafür, dass sich der Mann im Ausland aufhält. Mit dabei ist offenbar seine geschiedene Ehefrau, mit der er wieder zusammenlebt. Die 52-Jährige war – nach einem Geständnis – bereits im April zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt worden.
Das Paar hat ist dem Vernehmen nach vor etwa sechs Wochen verschwunden. Bekannte berichten, die beiden hätten ihr Konto abgeräumt, bei Nacht und Nebel die Wohnung verlassen ohne jemand zu informieren, sich einen Leihwagen genommen, seien damit zum Flughafen Stuttgart gefahren und mit unbekanntem Ziel abgeflogen. Eine Verwandte habe Hals über Kopf aus dem Ausland anreisen müssen, um eine pflegebedürftige Angehörige, die plötzlich auf sich alleine gestellt war, zu betreuen.
Der langjährige Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH (BFW) hatte im Jahr 2011 Insolvenz für den Familienbetrieb anmelden müssen. Im Prozess, der bereits im vorigen November vor dem Landgericht Rottweil begonnen hatte und sich über 23 Verhandlungstage erstreckte, versuchte er immer wieder, die Schuld auch auf seine Mitarbeiter und den Insolvenzverwalter abzuwälzen. Am Ende stand allerdings der klare Schuldspruch des Gerichts. Die Große Strafkammer sah massive Buchungsbetrügereien gegenüber einem Finanzdienstleister, Schwarzgeschäfte an der Firmenbuchhaltung vorbei zu persönlichen Bereicherungen und die Beschäftigung einer privaten Haushaltshilfe auf Firmenkosten als erwiesen an. Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, erklärte am Ende der gut einstündigen Urteilsverkündung: Da keine Fluchtgefahr bestehe, werde kein Haftbefehl erlassen.
Verteidiger Kießig kündigte noch im Gerichtssaal Revision an. Jetzt hat der Bundesgerichtshof entschieden – und die verbleibende Frage ist, ob der jetzt rechtmäßig Verurteilte bereit ist, seine Strafe anzutreten.
Der Mann hat sich nicht “abgesetzt”, sondern befindet sich de jure auf einer erlaubten Auslandsreise, so wie ich das auch sofort machen könnte. Das Gericht hat ihm nach der Verurteilung nicht mal den Pass abgenommen. Dass er kurzfristig abgereist ist wird sein Verteidiger notfalls harmlos erklären können: Last-minute-Buchung.
Auf ein Leben im Untergrund dürfte er nicht vorbereitet sein, also wird er relativ schnell erwischt werden, so er denn im Laufe des nächsten Jahres ausgeschrieben wird, jedoch spätestens wenn er neue Papiere braucht ist er fällig……
Der zeitliche Zusammenhang ist natürlich rein zufällig, niemand am BGH hat seinem Verteidiger gesteckt, daß die Revision verworfen werden wird und der Verteidiger hätte das auch niemals an den Mandanten weitergegeben.
Bezüglich seiner rechtskräftig verurteilten Ex-Ehefrau frage ich mich allerdings, wie es denn mit den Bewährungsauflagen aussieht: Hat sie keine, oder verstößt sie jetzt mit ihrer ausgedehnten Reise dagegen? Werden eventuelle Verstöße Folgen haben oder gilt das laissez-faire-Prinzip?
Der Justiz sei allerdings ins Stammbuch geschrieben, dass der laxe Umgang mit Straftätern bei der Bevölkerung nicht immer gut ankommt! Wer innerhalb von 10 Jahren ein einziges Mal seine Parkuhr überzieht bekommt keine Bewährung! Und wer nicht zahlt, der lernt den Staat von einer anderen, weniger großzügigen Seite kennen.