Es ist eine wegweisende Wahl, die der Rottweiler Gemeinderat an diesem Mittwoch, 9. Dezember zu treffen hat. Er muss den Nachfolger von Bürgermeister Werner Guhl bestimmen, der diese Stadt über mehr als zwei Jahrzehnte wesentlich geprägt hat, der noch viele Pläne und klare Vorstellungen hatte – und dann am Morgen des 28. Juni jäh aus dem Leben gerissen wurde.
Zwölf Bewerbungen waren auf die Ausschreibung eingegangen, die einzigen beiden Frauen sagten vorzeitig wieder ab. Zehn Kandidaten präsentierten sich dem Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung. Zwei Männer schafften es schließlich in die Endrunde.
Zwei gegensätzliche Typen
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein:

Andreas Haas:58 Jahre alt, in Rottweil geboren, verheiratet, Vater dreier Kinder, Architekt, 1997 stellvertretender Leiter, ab 2001 Leiter der Abteilung Stadtplanung und Hochbau in der Stadtverwaltung Rottweil, seit 2008 Leiter der Fachbereichs Hochbau und Gebäude-Management der Stadt Tübingen.

Dr. Christian Ruf: 32 Jahre alt, in Aalen (Ostalbkreis) geboren, ledig, Mitglied der CDU, Jurist, Oberlandesgericht Frankfurt/Main, dann Promotion zum Dr. jur. an der Universität Münster, seit 2014 für die Kanzlei Noerr LLP in Frankfurt/Main in den Fachgebieten Immobilien-Wirtschaftsrecht und Gesellschaftsrecht tätig.
Das Anforderungsprofil
Zu den Fakten gehört auch die Korrektur eines offenbar weit verbreiteten Missverständnisses: Ausweislich der offiziellen Ausschreibung sucht die Stadt Rottweil keinen „Bau-Bürgermeister“, sondern einen Ersten Beigeordneten beziehungsweise Bürgermeister, der zum einen den Oberbürgermeister vertritt und zum anderen die Zuständigkeit für zwei Fachbereiche übernimmt: Erstens das Bürgeramt, Ordnungs- und Schulverwaltung; dazu gehören Bürgerbüro, Ordnungsverwaltung, Feuerwehr, Ausländerbehörde, Schulen und Kindergärten. Zweitens Bauen und Stadtentwicklung inklusive Eigenbetrieb Stadtbau: dazu gehören Stadtplanung, Hochbau, Tiefbau, Bauordnung/Denkmalschutz und Betriebshof.
Was der OB will
Oberbürgermeister Ralf Broß erklärt auf Anfrage: „Wir suchen keinen typischen Baubürgermeister, aber wir – und auch ich – hatten schon im Hinterkopf, dass er aus dem Baubereich kommt.“ Auf die Frage, welche Eigenschaften er sich vom neuen Mann wünsche, erwidert der OB: „Es sollte ein erfahrener Beigeordneter sein, er sollte in der kommunalen Arbeit mit den Gremien verwurzelt sein und als Führungskraft das gute Klima in der Stadtverwaltung weiterhin pflegen, das heißt, auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Oberbürgermeister und Bürgermeister der Vergangenheit weiterführen.“
Das alles passt ziemlich haargenau auf das Profil von Andreas Haas. Zufall? Broß sagt: „Ich habe mich noch nicht festgelegt.“
Aus den Reihen des Gemeinderats hört man eine andere Version: „Der OB hat sich klar für Haas positioniert, das ist nicht glücklich.“ Damit setze Broß den Gemeinderat unter Druck und sich selber dem Risiko aus, notfalls mit einem Bürgermeister zusammenarbeiten zu müssen, von dem alle wissen, dass ihn der OB nicht gewollt habe.
Dass allerdings auch das funktionieren kann, zeigt sich in Villingen-Schwenningen, wo es genau diese Konstellation gab: Der Gemeinderat hat Anfang Februar dieses Jahres mit 22:19 Stimmen Detlev Bührer , den Kämmerer von Denzlingen, also einen Finanzfachmann, als Nachfolger des glücklosen Baubürgermeister Rolf Fußhoeller (CDU) gewählt. „Ich bin weder Stadtplaner noch Architekt. Darauf kommt es auch nicht an“, sagte Bührer. „Es gilt vielmehr, dafür zu sorgen, dass die vom Gemeinderat und der Verwaltungsspitze gesetzten Zielvorgaben und Prioritäten effizient umgesetzt werden.“ In der Doppelstadt spielte die Parteipolitik eine entscheidende Rolle: Es war die bürgerliche Mehrheit, die den CDU-Mann letztlich durchsetzte. Das Nachsehen hatte Claudia Baumgartner, die ehemalige Leiterin des Baudezernats im bayerischen Passau. Sie war die Favoritin von Oberbürgermeister Rupert Kubon (SPD). Trotz allem, so berichtet der OB, klappe die Zusammenarbeit mit Bührer sehr gut.
Günter Posselt, Vorsitzender der Rottweiler CDU-Fraktion, versichert, in seiner Fraktion gebe es keine Vorgaben für die einzelnen Mitglieder. Jeder könne frei entscheiden, wen er wählen wolle.
Das Vakuum in der Verwaltung
Hört man sich bei Kennern der Verhältnisse um, so heißt es, beide direkt betroffenen Fachbereichsleiter, Lothar Huber (Bau) und Bernd Pfaff (Ordnungswesen, Schulen), arbeiteten gut, kompetent und verfügten über detaillierte Fachkenntnisse. Gefragt sei deshalb ein Manager-Typ, der die großen Linien vorgebe, den OB unterstütze und auch mal im besten Sinn fordere, wie es Werner Guhl so meisterhaft verstanden habe, und damit die Stadt weiter voranbringe. Es gehe um mehr als einen Bauexperten.
Immer mehr, so die Klagen, habe sich zuletzt in der Praxis gezeigt, dass Werner Guhl nicht nur auf einem Gebiet ein Vakuum hinterlassen habe. Vor allem bei rechtlichen Problemen sei das zuletzt überdeutlich geworden. In einigen Fällen habe die Stadtverwaltung dabei fast Schiffbruch erlitten, und nur mit Glück seien größere finanzielle Schäden vermieden worden. Auf alarmierende Weise habe sich dabei gezeigt, wie sehr im Rathaus ein Jurist fehle. Das spräche eher für Christian Ruf.
Pros und Contras
Sehr viel spreche für Andreas Haas, betonen seine Befürworter: Er sei ein ausgewiesener Bau-Fachmann mit einer breiten Erfahrung in der Verwaltung, mit einem Gespür für Rottweil und seine historische Bausubstanz. Skeptiker verweisen dagegen auf mögliche Nachteile: Vielleicht sei er zu einseitig Bau-Experte und vielleicht auch zu sehr verwurzelt mit Rottweil. Zudem bleibe ihm auf Grund seines Alters nur noch eine Wahlperiode. Allerdings: Jeder der angeblichen Nachteile könnte sich – bei genauer Überlegung – auch zum Vorteil entwickeln.
Christian Ruf wiederum werden seine hohe Reputation als Jurist und seine breite Ausbildung zugute gehalten. Mögliche Nachteil: Vielleicht zu jung, vielleicht zu wenig Bezug zu Rottweil und wenig Verwaltungs- und Führungserfahrung. Aber auch hier gilt, dass sich das alles als Vorteil herausstellen könnte.
Die Strömungen im Rat
Das Rennen ist also ziemlich offen, auch wenn Andreas Haas als Favorit gilt. Vieles spricht dafür, dass neben dem OB (parteilos) auch die Grünen (drei Sitze) und Forum für Rottweil (2) zu Haas tendieren. Auch bei den großen Fraktionen von CDU (8) und Freien Wählern (7) soll er Sympathisanten haben. Man muss indes kein Prophet sein, um zu ahnen, dass im bürgerlichen Lager eher Christian Ruf punkten wird. Somit könnten die kleinen Gruppierungen von SPD (3), FDP (2) sowie Einzelkämpfer Jens Jäger zum Zünglein an der Waage werden.
Im Gemeinderat wagt niemand eine Prognose. Nicht nur einmal hört man den Satz: „ Es könnte ganz knapp werden, vielleicht entscheiden sogar die Reden am Mittwoch.“ Der Sieger benötigt 13 Stimmen. Die Wahl ist geheim.
Bleibt ein abgewandelter Spruch des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss: „Nun wählt mal schön!“ Vielleicht trifft das Originalzitat noch besser auf die Situation zu: „Nun siegt mal schön!
Die öffentliche Sitzung beginnt am Mittwoch um 17 Uhr im Neuen Rathaus.
Na dann kann man schon Herrn Haas gratulieren. Das ist halt in RW so …..