Im Rahmen des Tags des offenen Denkmals hatten der Museums- und Geschichtsverein Schramberg in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv zu einer Besichtigung der Bunkeranlagen der Firma Junghans eingeladen. Stadtarchivar Carsten Kohlmann und Liegenschaftsverwalter Klaus Dreyer hießen etwa 100 Besucher (statt der erwarteten 30!)auf dem Gelände an der Geißhalde willkommen.
SCHRAMBERG (him) – In seiner Einführung schilderte Kohlmann die Geschichte des 1861 gegründeten Unternehmens Gebrüder Junghans und erinnerte daran, dass Junghans neben Weckern, Taschen- und später Armbanduhren schon seit 1909 auch Zünder für Granaten gebaut und entwickelt hat: „Zünder haben eine ähnliche Funktionsweise wie Uhrwerke”, so Kohlmann. Junghans war deshalb auch nicht die einzige Uhrenfabrik, die diesen Geschäftszweig für sich entdeckte.
Im ersten Weltkrieg sei die Produktion fast komplett auf Zünder umgestellt worden. Ab 1935 im Zuge der Aufrüstung sei Junghans wieder groß eingestiegen bei der Zünderproduktion und habe mit der Erfindung eines Fliehkraft-Zünders ein besonderes Produkt gehabt und Millionen davon produziert.
Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges begann das Unternehmen mit der Vorbereitung auf einen Luftangriff. Spezielle Schutzräume wurden gebaut, die Feuerwehr entsprechend ausgebildet.
Doch da bei Junghans etwa 8000 Menschen an der Geißhalde und in der HAU arbeiteten, reichten diese Räume bei weitem nicht für so viele Menschen aus. Deshalb, so Kohlmann ließ das Unternehmen ab 1940 Pläne für Luftschutzbunker unter dem Tössberg und dem Schlossberg und bei der HAU entwickeln.
Ab 1941 bauten dann zwei Schramberger Baufirmen, unterstützt wahrscheinlich von Bergleuten aus dem Saarland und Fachkräften aus Kroatien – „Keine Zwangsarbeiter“ wie Kohlmann betont – die vier Bunkeranlagen. Erst als Bunker zur Sicherheit der Beschäftigten gedacht, wurde zunehmend auch die Produktion in die Bunker verlagert. Bei Fliegeralarm saßen die Arbeiter auf langen Bänken entlang der Bunkerwände. In Nebenräumen waren Sanitätsräume und Kommunikationszentralen untergebracht.
Als gegen Ende des 2. Weltkriegs mehr und mehr auch in den Bunkern gearbeitet wurde, müssen die Bedingungen unerträglich gewesen sein. Der heute 87-jährige Ernst Huber hatte als Junge trotz strengstem Verbot seinen Vater dort besucht. Die Bunkerräume seinen taghell erleuchtet gewesen, es sei ein heiße, verbrauchte Luft ihm entgegen geschlagen. Der Lärm der Maschinen sei „infernalisch“ gewesen. Bei Temperaturen um 40 Grad und verbrauchtem Sauerstoff hätten die Arbeiter dennoch präzise arbeiten müssen.
Beim Einmarsch der Franzosen am 20. April 1945 sei die Schramberger Bevölkerung zu tausenden in die Bunker geströmt. Erst am Abend gegen 21 Uhr seien sie dann tatsächlich gekommen, berichtetberichtet die 82 Jahre alte Zeitzeugin Margot Facon-Lickl, die heute in Zürich lebt, die Kohlmann zitiert. Die Soldaten hätten „Raus, raus, raus!“ gebrüllt. Eindrucksvoll von Kohlmann in den Bunkeranlagen demonstriert.
Nach dem Krieg dienten die Bunkeranlagen weiterhin der Firma als Lagerstätte. Bis 2006 sei es kaum möglich gewesen, die Bunker zu besuchen. „Das war immer geheimnisumwittert.“ Die Feinwerktechnik, heute Microtec habe die Bunker noch genutzt. Nur wenige Junghansianer seien in die Stollen gekommen. Erst mit der Umwandlung des Gebietes und dank Klaus Dreyer seien die unterirdischen anlagen zumindest teilweise zugänglich. Die Stollen 2 und 3 allerdings würden heute zum ersten Mal fürs Publikum geöffnet.
Besonders eindrucksvoll ist der Rundgang durch den Stollen 2. Die Besucher, mit Taschenlampen und Fotoapparaten ausgerüstet, fanden dort den unvollendeten Stollen, Überall sind alte Gerätschaften im Licht der Taschenlampen zu erkennen: eine Feuerwehrleiter, hölzerne Wagen. Viel Gerümpel aus der Nachkriegszeit ist in den Stollen gelandet, ausgediente Maschinen, Rohrleitungen Ersatzteile. Eine ganze Reihe von Tresoren steht in einem Nebenbunker. In diesen waren geheime Produktionsunterlagen noch bis in die jüngste Zeit aufbewahrt worden, denn es handelte sich laut Aufschrift um Microsoftprogramme. Aber auch über eine Holzkiste für „30 Handgranaten“ konnte man stolpern.
Gut zu erkennen, wie massiv die Wände waren, die die Bauarbeiter in den Stollen hinein betoniert hatten. Während die beiden Stollen 1 und 2 um „Rotliegenden“ gegraben wurden, haben die Arbeiter den Stollen unterhalb des Terrassenbaus und unter der Lauterbacher Straße hindurch in Granit geschlagen. Auch hier finden sich noch lange Regale mit einzelnen Ersatzteilen, aber auch in diesem Stollen haben die Lageristen offenbar bis in jüngste Zeit Material aus der Uhrenfabrikation zwischengelagert. Die Besichtigung habe der heutige Eigentümer, Hans-Jochem Steim ermöglicht, betonte Kohlmann.
Teilweise von weit her gekommen waren die Besucher. Unter ihnen auch Niko Junghans, der Enkel von Helmut Junghans, der 1957 als letzter der Familie an der Geißhalde das Sagen hatte, bevor das Unternehmen an die Firmengruppe Diehl verkauft wurde. „Eindrucksvoll“ sei der Bunkerbesuch für ihn gewesen, so Junghans.
Er habe zahlreichen Interessenten wegen des großen Andrangs absagen müssen, berichtete Kohlmann, versprach aber im neuen Jahr eine weitere Führung durch die bisher unzugänglichen Bunker anzubieten.