DEISSLINGEN (mm) – Seit ein paar Jahren lädt der SPD-Ortsverein jährlich zum Liederabend in den Bären. So auch am Donnerstag, und dieses Mal interessierten sich weit über
fünfzig Leute für die Lieder von Manfred Sorg, Steff und Jo Hengstler und die Geschichten dazu von Dr. Winfried Hecht
und sangen auch fleißig mit.
Lieder aus vergangenen Zeiten waren das, die teils aber durchaus Aktualität haben. So das „Trotz alledem“ von
Ferdinand Freiligrath (1810 bis 1876), der, beeindruckt von der Erschießung vieler aufständischer Arbeiter in Frankreich
die Bourgeoisie kritisierte und schrieb „Denn ob der Reichstag sich blamiert, professorhaft, trotz alledem!“ und
schließlich klarstellt: „Wir sind das Volk, die Menschheit wir!“
Freiligrath, einst Hofpoet, wandelte sich durch die Ereignisse seiner Zeit, die Revolution 1848/49, die Erschießung
Robert Blums zum Freidenker und arbeitete später als Journalist mit Karl Marx zusammen.
Viel Kampf und Revolution steckt in den von Bruno Bantle ausgewählten Liedern, darunter die uralte Volksweise „Die Gedanken sind frei“ oder „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, Lieder,
die sich wandelten, weil sie oft nur mündlich weitergegeben wurden, Lieder, die aber auch Gedankengut unters Volk brachten,
das der Obrigkeit nicht gefiel.
Hecht erzählte von Wandergesellen, die die Lieder auch in andere Länder trugen und so die Grundlage für manch einen Aufstand bildeten. Lieder aber auch von Trauer und Hoffnung, wie die „Moorsoldaten“, ein Lied über das elende Leben
in den Konzentrationslagern der Nazis. Dort wurde es gesungen, „und das nicht nur in Ausschwitz oder Dachau, sondern auch in
unsrer nächsten Nähe“, so Hecht, schier unvorstellbar sei das, in Schörzingen, im Eckerwald.
Lieder von Rebellion gegen den ungeliebten Meister und das schlechte Kraut der Meisterin, weshalb der Geselle sich auf
den Weg nach Frankfurt macht, auf der Suche nach seinem Glück. Hecht erzählte von Rottweiler Auswanderern, die ihr Glück
in den USA gesucht und nicht gefunden hatten, denn auch dort herrschte große Arbeitslosigkeit: „Die soziale Realität in
Amerika war denkbar bitter!“, erzählte von der Wut der Armen auf Polizei und preußische Politik, deren Folgen dann
Politiker aus Schwaben wieder hinbiegen mussten, wo man seit jeher eher rebellisch eingestellt war und sich ungern unterdrücken ließ.
Von bestialischem Krieg, von Terror von rechts, von Kriegstreiberei auf der ganzen Welt und von Versuchen, Brücken zu schlagen, und das Völkermorden zu beenden. Geschichten und Lieder, uralt teils, und doch von erschreckender Aktualität.
Und als Zugabe das bekannte Kinderlied „Auf einem Baum ein Kuckuck“. Das nämlich hat, wie viele Kinderlieder, einen oberflächlich recht harmlosen Text, zwischen den Zeilen
jedoch steckt Potential: In dem Fall der Kuckuck, der zwar erschossen wird, aber doch im nächsten Frühling wieder sein
freches Lied singt. Ein starkes Symbol für die Freiheit, so Hecht. „Immer wenn man glaubt, sie ist zerstört, ist sie wieder da!“