Dienstag, 28. November 2023
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Rottweil

Machbarkeitstudie Bahnstrecke Schiltach -Schramberg: Die Fakten

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Das Landesverkehrsministerium hat vor zwei Jahren ein Forschungsprogramm aufgelegt, das das Potenzial für Reaktivierung von Bahnstrecken untersuchen sollte. 42 alte Bahnstrecken hatte das Land hinsichtlich des möglichen Fahrgastaufkommens untersuchen lassen. Mehr als 30 Strecken sei dabei „ein relevantes Fahrgastpotenzial bescheinigt“ worden. Die Strecke Schramberg – Schiltach war nicht darunter. Und das aus gutem Grund.

Nicht nur stillgelegt, sondern entwidmet

Die Strecke wurde gar nicht untersucht, denn sie erfüllte eine Grundvoraussetzung nicht. Die Bahnstrecke Schiltach – Schramberg ist nicht nur stillgelegt, sie ist längst entwidmet. Das Land hat aber ausdrücklich nur Zuschüsse für „Machbarkeitsstudien für stillgelegte Eisenbahnstrecken“ zugesagt.

Liste der Strecken, die näher untersucht werden sollten. Schiltach-Schramberg ist nicht dabei. https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/mobilitaet-verkehr/bus-und-bahn/livestream-reaktivierung-bahnstrecken/

Der Unterschied: Eine stillgelegte Strecke bleibt „planungsrechtlich weiterhin ausschließlich für Bahnbetriebszwecke zur Verfügung und darf nicht für andere Zwecke überplant werden.“ Sie kann ohne erneuten Planfeststellungsbeschluss wieder in Betrieb genommen werden. Anders eine entwidmete Bahnstrecke: Ist sie entwidmet, entzieht dies „die Fläche dem Fachplanungsrecht der Eisenbahn und gibt sie in die Planungshoheit der Gemeinde zurück, die sie damit für eine anderweitige Bebauung überplanen kann“.

Diese Regelung trat im Allgemeinen Eisenbahngesetz 2005 in Kraft. 1992 hat man einen Radweg auf der Strecke gebaut. Die Landessregierung geht davon aus, dass die Strecke durch den Bau des Radwegs entwidmet ist.

Im Sommer 2022 schrieb das Landratsamt in einer Pressemitteilung: „Die ehemalige Bahnstrecke Schramberg – Schiltach wurde jedoch nicht in diese große landesweite Potenzialuntersuchung einbezogen, da es sich um eine entwidmete Strecke handelt und die Trasse teilweise wegen Grundstücksverkauf und/oder Bebauung nicht mehr ohne Weiteres zur Wiederaufnahme des Schienenverkehrs zur Verfügung steht.“

Der Bund zahlt nur bei entwidmeten Strecken

Dass das Land nur Machbarkeitsstudien für stillgelegte Strecken fördern will, hat einen plausiblen Grund. Der Bund würde in der Regel nur dann die Reaktivierung von Bahnstrecke fördern, wenn diese noch gewidmet sind.

Ende 2021 hatten sich die Städte Schiltach und Schramberg und der Landkreis Rottweil dennoch dafür eingesetzt, dass eine solche Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird. Sie hatten einen entsprechenden Antrag fristgerecht eingereicht. Daraufhin hatte das Landesverkehrsministerium überraschenderweise im Mai die Förderzusage für eine Machbarkeitsstudie gegeben.

Eine Pressemitteilung mit einer falschen Streckenangabe, hatte allerdings für Kopfschütteln in der Region gesorgt. Inzwischen ist die Karte korrigiert und die Strecke Schiltach – Schramberg entfernt.

Grafik: Verkehrsministerium

Land zieht Förderzusage zurück

Diese Löschung erfolgte, weil wiederum überraschenderweise der Kreistag kurz vor der Sommerpause das Angebot einer Karlsruher Beratungsfirma für die Machbarkeitsstudie mit einer Patt-Entscheidung 13 zu 13 abgelehnt hatte.

Damit entfiel für die Landesregierung ihre Förderzusage. Die idee, das Land könne die Förderzusage doch auf Schramberg und Schiltach übertragen, haben das Land und die zuständige Nahverkehrsgesellschaft des Landes umgehend abgelehnt. Ebenfalls nicht möglich ist, dass Schramberg und Schiltach einen eigenen Förderantrag stellen, weil die Antragsfrist längst abgelaufen ist.

Umfassendere ÖPNV-Studie ist nicht vorgesehen

Der Verwaltungsausschuss des Schramberger Gemeinderats hat sich dennoch mehrheitlich für einen Antrag der „Aktiven Bürger“ ausgesprochen, noch einmal im Verkehrsministerium für einen Zuschuss für eine solche Machbarkeitsstudie zu werben.

Dabei soll es nicht nur um die Reaktivierung von Bahnstrecken, sondern um die Verbesserung des ÖPNV im ländlichen Raum gehen, eine zukunftsfähige Anbindung Schrambergs, autonomes Fahren mit Shuttlebussen. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr hat in der Sitzung zugesagt, sie wolle in der nächsten Sitzung „den Prüfzweck der Machbarkeitsstudie nachreichen“.

Nun, der steht seit dem 25. Januar 2021 im Internet. In den Förderrichtlinien zu den Machbarkeitsstudien heißt es:

„Qualifizierte Machbarkeitsstudien untersuchen die aktuellen Verkehrsverhältnisse entlang der zu reaktivierenden Strecke, die möglichen Varianten für eine Reaktivierung, den zu erwartenden finanziellen Aufwand für den Wiederaufbau und den anschließenden Betrieb einer stillgelegten Strecke, das damit verbundene Verlagerungspotenzial vom Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr und den zu erwartenden mit einer solchen Maßnahme verbundenen volkswirtschaftlichen Nutzen.”

Sonst nichts. Kein umfassendes ÖPNV-Konzept, kein autonomes Fahren mit dem Shuttlebus. Es geht ausschließlich um den Sinn und Zweck der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken.

Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

Kommentare zu diesem Beitrag

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  1. Wenn final die Floskel “Verbesserung … ländlicher Raum …” fällt, dann ist eine Sache so tot wie Jacob Marley in Dickens Weihnachtsnovelle. Haken wir es ab, bauen wir lieber als geförderte “Leader” im ländlichen Raum noch ein paar Boulé-Bahnen und Faszienkratzbäume für neu gestaltete Begegnungsplätze bei “Unser Dorf soll schöner werden”.

  2. Sie sollten unterscheiden zwischen Verwalteungsrecht einerseits und politischem Willen andererseits. Wenn Schramberg will. Kann es beim Land sehr wohl om Förderung bitten. Und wenn Verkehrsminister Hermsnn will, kann er zusagen.