Ein Dauerstreit wegen Pachtminderung landete jetzt vor dem Amtsgericht Oberndorf. Doch nicht vor einem Zivilgericht, sondern dem Strafrichter. Wegen versuchter Erpressung sitzt ein unscheinbarer Mann mit wenig Haupthaar, aber langem Zopf vor dem Richter. Tonio Uderzo*, so lautet die Anklage, soll Anfang April 2014 versucht haben, Paul Pfister*, den Schramberger Chef eines Szenelokals an der Steige, zu erpressen.
SCHRAMBERG (him) – Pikant dabei: Der Angeklagte ist der Sohn der Hausbesitzer – und hat gute Beziehungen ins Rockermilieu. Er trägt ein Sweatshirt mit dem „geballte-Faust“- Emblem des Gremium MC Ludwigsburg. Vor Gericht verweigert er die Aussage.
Umso mehr möchte Pfister reden. Nach dem Prozess lädt er die NRWZ in sein Lokal. „Mir geht es darum, die Verunglimpfungen gegen mich klar zu stellen“, versichert er mehrmals. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, im Gegenteil.
Zwischen Pfister und den Eltern des Angeklagten gibt es seit Jahren Streitigkeiten wegen der Pacht. Die Uderzos, beide heute um die 80, hatten das Haus gekauft, da war Pfister schon Pächter des Lokals. Weil die Eingangstür nicht in Ordnung war, so erzählt es der Wirt, habe er mehrfach, auch über seinen Anwalt die Hausbesitzer aufgefordert, diese Türe zu reparieren. Erst als er die Pacht reduziert hatte – auf Anraten der Anwältin des Hotel und Gaststättenverbandes – bekam er die neue Türe. Doch die Uderzos verlangten nun auch rückwirkend die volle Pacht. „Das geht aber nicht.“ Pfister sagt, sie sollen klagen.
Doch dazu kommt es nicht. Anfang April 2014 kommt dafür Tonio Uderzo in Begleitung eines anderen Kuttenträgers. „Ich hab‘ die gesehen, einen Schreck gekriegt und ihnen erklärt, ich muss zur Bank, sie sollen in einer halben Stunde wiederkommen.“ Pfister überlegt, was er tun kann und stellt sein Handy so auf, dass es in einer Ecke des Lokals die gesamte Szene aufnehmen kann. „Als die wieder kamen, hab‘ ich sie in die Ecke gelotst.“ Er schneidet, was nun geschieht, heimlich mit. Nicht legal, aber clever, findet später ein Polizist, sei das gewesen. Die NRWZ hat eine Kopie der Videoaufnahme einsehen können.
Der „Meister Propper“, wie Pfister den begleitenden MC-Gremium-Mann nennt, muss erst aufs Klo („Der wollte gucken, ob noch jemand im Lokal ist.“), kommt zurück und schweigt die nächsten knapp fünf Minuten. Auf seinem T-Shirt über seinem breiten Brustkorb prangt groß das Logo Gremium MC.
Nach einigem Vorgeplänkel kommt Tonio zur Sache: „Ich will mein Geld, zwei Mille stehen aus von 2013.“ – „Nein, da steht nichts aus, das wird anwaltlich geklärt.“ – „Gar nichts ist geregelt, laber‘ mich nicht voll.“ So geht es eine Weile hin und her.
Und dann wird Tonio deutlicher: „Du lebst hier, deine Frau lebt hier. Die will da oben Geld verdienen.“ Pfisters Frau ist seit fünfzehn Jahren Geschäftsführerin eines bekannten Nachtlokals auf dem Sulgen. Pfister besteht darauf, alles seinen rechtlichen Gang gehen zu lassen. Buddhamäßig sitzt der Gremium-Mann am Tisch, schaut mal zum einen, mal zum anderen. Tonio, wird etwas konkreter: „Die Alde hat noch bissl Hirn, die weiß auch was Sache isch.“
Da, so Pfister, sei nun ganz klar gewesen, was das bedeutet: Ärger mit Rockern ist in der Szene höchst unangenehm. Tonio fügt auch noch hinzu: „Vielleicht weißt Du es noch ned.“ Pfister erwidert: „Ich fass‘ das jetzt mal nicht als Drohung auf, aber wie gesagt, das wird anwaltlich durchgefochten.“
Dass der Rocker dabei saß, sei ein sehr deutlicher Hinweis gewesen. „Der war Vollmitglied, und jeder weiß, dass die niemals in ein Lokal in so einer Sache mitgehen, ohne dass die Oberen bei Gremium davon wissen.“ Dann folgt ein weiterer Satz, den Pfister als Drohung empfindet. Uderzo sagt: „Du musst Deine Schulden zahlen bei uns, sonst schulden wir Dich nämlich um.“ Gemeint habe Uderzo damit, dass seine Eltern das Haus auf ihn übertragen könnten, und er habe ja seine Gremium-Freunde. Nach knapp sechs Minuten erheben sich die beiden Gäste: „Es ist hoffnungslos“, findet Tonio, wünscht Pfister noch „Mach‘s gut“ und verlässt mit „Meister Propper“ das Lokal.
Pfister informiert einen befreundeten Kripobeamten, der findet, „eine rote Linie“ sei überschritten, und stellt den Kontakt zur „Sonderkommission Leder“, die das Rockermilieu seit Jahren im Blick hat, her. Die Beamten ermitteln, hören Zeugen an, schauen das Video an, es kommt zur Anklage und zum Prozess.
Der endet mit einer Enttäuschung für Pfister: „Der Richter hat das Verfahren eingestellt, gegen Zahlung der Gerichtskosten.“ Anderthalb Stunden sei er als Zeuge befragt worden. Aber immer wieder habe der Richter darauf abgehoben, dass er 1,78 groß und 93 Kilo schwer sei, Tonio aber kaum 50 Kilo wiege und ein „kleines Männle“ sei. Wo denn da die Bedrohung sei? „Ich finde, der Richter hat das zu lax behandelt. Für die ist das doch eine Aufforderung, das grad wieder zu machen.“
Nach gut zwei Stunden ist die Sitzung vorbei. Der Amtsrichter stellt das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. „Die Staatsanwaltschaft hat der Einstellung nach Paragraf 153 Absatz 2 Strafprozessordnung zugestimmt“, bestätigt der Pressesprecher des Gerichts, Wolfgang Froemel, auf Anfrage der NRWZ. „Ohne deren Zustimmung kann nicht eingestellt werden.“ Lediglich bei der Kostenentscheidung schimmert so ein wenig durch, dass das Vorgehen des Angeklagten nach Ansicht des Richters nicht ganz astrein war: “Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt und der Angeklagte trägt seine Kosten selbst.“
*Namen von der Redaktion geändert