DEISSLINGEN (mm) – Die beiden Neckarquelle-Redakteure Berthold Merkle und Ralf Trautwein haben am zweitletzten Tag des alten Jahres ihr Buch „Heldenzeit“ im Deißlinger Bären vorgestellt. Umrahmt wurde die Lesung von Musik aus der Zeit, in der das Buch spielt, nämlich dem ersten Weltkrieg, Lieder, die den Krieg verherrlichen, aber genauso verurteilen, einfühlsam gespielt von den beiden Deißlinger Allround-Musikern Steff und Jo Hengstler an der Gitarre und dem Akkordeon.
Wer sich mit dem zweiten Weltkrieg auseinandersetzt, findet sich in einer Zeit wieder, wo Heldentum ganz groß geschrieben wurde. Wo Kleinkinder schon in Soldatenanzüge gesteckt wurden und Jungs lieber Krieg spielten als Fußball. Wo junge Männer siegessicher an die Front in Frankreich zogen, im Glauben, die „Franzmänner“ genauso problemlos besiegen zu können wie es den Deutschen schon gut 40 Jahre zuvor gelungen war: “Auf zum Preisschießen nach Paris!”
Und genau diese Situation beschreiben die beiden Autoren aus der Sicht von Menschen aus Schwenningen, Deißlingen oder Rottweil. Erzählen von dem kleinen Franz, der wegen seines Namens beim Kriegsspiel auf der Verliererseite stehen muss und dessen Bruder Fritz, der, wenn es nach dem Vater geht, Turnen statt Kicken sollte, weil Fußball doch ein Engländersport ist. Und Turnen so Deutsch.
Erzählen von dem jungen Schwenninger Lehrer Christian, der im Schützengraben friert neben seinem Freund, dem jungen Deißlinger Peter Grüneis, der erst gerade sein Abitur in Rottweil gemacht hat. Vom “widerwärtigem gelben Lehm” an den Stiefeln und überm Feuer getrockneten Strümpfen, dem Vollbad für 30 Pfennig, das man sich nach dem Fronteinsatz in der “Etappe”, einem besetzten französischen Städtchen, leistete und von den langen Schlangen vor dem Feldfreudenhaus, dessen Bewohnerinnen vom Roten Kreuz betreut wurden. Und vom Hunger zuhause, wo die Verantwortlichen entscheiden mussten, ob die Gerste besser zum Brotbacken oder zum Bierbrauen verwendet werden soll.
Ralf Trautwein und Berthold Merkle haben gründlich recherchiert, haben die Wege der Soldaten rekonstruiert, mit Lokalkolorit ummalt und dabei manch Augenzwinkern nicht ausgelassen – da ging im Anschluss an die Lesung manch signiertes Exemplar über den Lesetisch. Jo und Steff Hengstler füllten die Lesepausen mit Bekanntem und weniger Bekanntem – “Maikäfer flieg”, das schlichte Kinderlied, das die Grausamkeit des Dreißigjährigen Kriegs widerspiegelt, oder “In Mueders Stübeli”, Lieder, die so harmlos klingen und doch so viel Leid ausdrücken. “Die Wacht am Rhein”, das einst die Soldaten siegessicher schmetterten, ließen die Brüder dagegen aus, das hätten sie wohl nicht über die Lippen gebracht.