Oberbürgermeister Ralf Broß hatte es eigentlich vorgegeben: Verwaltung und Gemeinderat wollten „zunächst auf den geplanten Abriss der Göllsdorfer Turnhalle verzichten“, sagte er noch bei der Einbringung des städtischen Haushalts am Mittwoch. Er wollte die Halle vielleicht als Ausweichmöglichkeit für Schul- und Vereinssport haben, sicherlich aber auch als Notquartier für bis zu 200 Flüchtlinge, wie er vorrechnete. Er wollte den Abriss für einen Neubau auf irgendwann verschieben. Doch wenige Stunden später war der Plan zunichte gemacht: von den Rottweiler Stadträten, in derselben Sitzung. Einem von ihnen hatte zuvor ein Ortschaftsrat der Freien Bürgerliste Göllsdorf versucht, den Marsch zu blasen.
Die Göllsdorfer Turn- und Festhalle als Ausweichquartier für Flüchtlinge? Davon sei „nie die Rede“ gewesen. Der Göllsdorfer Ortschaftsrat Uwe Meier legt sich da fest. Er recht: So direkt und explizit war davon nie die Rede, jedenfalls nicht öffentlich und nicht in einer Sitzung des Ortschaftsrates. Wohl aber sind am vergangenen Mittwoch Überlegungen in diese Richtungen bekannt geworden.
Zunächst geschah das in der Haushaltsrede des Oberbürgermeisters. In der ersten Jahreshälfte 2015 habe es bereits mehr Asylanträge als im kompletten Vorjahr gegeben, sagte er da. „Auch in unserer Stadt“, so Broß, „stehen wir vor dieser Herausforderung.“ Derzeit sind in Rottweil etwa 300 Flüchtlinge untergebracht. An sich sei die Situation entspannt. „Das Landratsamt“, so Broß, „kann derzeit keine gesicherte Prognose abgeben, wie viele Flüchtlinge in den nächsten Monaten zu uns kommen. Die Belegung von Sporthallen oder die Unterbringung in Zelten müssen wir bis Jahresende nicht befürchten. Eine kurzfristige Notunterbringung ist momentan zwar gebannt, allerdings für die Zukunft nicht auszuschließen. Aus diesem Grund haben sich Stadtverwaltung und Gemeinderat dafür ausgesprochen, zunächst auf den Abriss der Mehrzweckhalle in Göllsdorf zu verzichten, um Ausweichkapazitäten im Fall der Fälle zu schaffen.“
In Göllsdorf ist man immer davon ausgegangen, dass dieses Ausweichquartier sporttreibenden Vereinen oder Schülern dienen solle. Wenn etwa das Landratsamt entscheide, dass die Kreissporthalle nun mit Flüchtlingen zu belegen sei, brauchten diejenigen, die dort sporteln, anderswo Platz.
Doch hat die Göllsdorfer Halle ein Problem: Sie ist marode, teils gesperrt und soll deshalb ja auch abgerissen werden. Sie kann nicht richtig für den Sport genutzt werden. Das weiß zum Beispiel Günter Posselt: „Ein Teil der Halle entspricht nicht den Unfallverhütungsvorschriften“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. Der Boden in Göllsdorf sei „problematisch für die Sportnutzung.“
Tatsächlich hat in dem Notfallplan, den die Stadtverwaltung mit den sporttreibenden Vereinen und den Schulen erarbeitet hat, die Göllsdorfer Halle auch keine Rolle gespielt. Wenn die Kreissporthalle mit Flüchtlingen belegt werden sollen, dann stünden den Vereinen etwa noch die Doppelsporthalle, die ABG-, AMG-, DHG- und die Turnhalle in Bühlingen zur Verfügung, legte Broß am Mittwoch dar. Von der Göllsdorfer sprach er nicht. Die Öffnungszeiten der genannten Hallen wollte die Verwaltung um eine halbe Stunde verlängern, alle sporttreibenden Vereine wollten auf 15 Minuten Trainingszeit verzichten. Wenn auch die Vereine in der Doppelsporthalle auf je 15 Minuten verzichteten, kämen nach Rechnung der Verwaltung alle unter.
„Bei der Frage, ob die (Göllsdorfer) Halle abgebrochen werden kann, haben wir das vor allem vor dem Hintergrund geprüft, ob die Halle für den Sport als Ausweichquartier nötig werden könnte, wenn etwa die Kreissporthalle mit Flüchtlingen belegt wird“, sagt der städtische Pressesprecher Tobias Hermann im Nachgang der Sitzung auf Anfrage der NRWZ. In diesem Zusammenhang sei dargestellt worden, „dass hier auch andere Möglichkeiten bestehen, die Sportangebote aufrecht zu erhalten.“
Es wäre auch nochmal schöner gewesen – die Göllsdorfer hatten sich durchaus zu Wort gemeldet, als der Gemeinderat ihnen im Oktober einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte, als der geplante Start des Abrissauftrags verschoben worden ist. Deshalb hat sich im Vorfeld der Sitzung am Mittwoch, bei der auf Antrag der Freien Wähler erneut über den Abriss-Start debattiert worden ist, ein Ortschaftsrat von der Freien Bürgerliste Göllsdorf per E-Mail bei CDU-Sprecher Posselt gemeldet und vehement gefordert, die alte Halle nun wirklich dem Abriss freizugeben.
Die Mail aus Göllsdorf muss harsch im Ton gewesen sein, Posselt zitiert nicht daraus, aber lässt das durchblicken. Beeindruckt habe sie ihn nicht.
Dennoch war Posselt neben dem Freien Wähler Hermann Breucha Wortführer der „Reißt die Halle ab“-Bewegung. Weniger radikal als der Grüne Hubert Nowack und der FFR-Mann Reiner Hils, denen es neuerdings nicht schnell genug gehen kann. Aber auch Posselt will nur wärmeres Wetter abwarten, die Sicherheit haben, dass die Halle nicht mehr als „Übergangs-Notquartier über den Winter“ gebraucht werde, wie er der NRWZ sagte. „Ab Mai funktioniert dort auch ein Zeltdorf, wenn die Not so groß ist, dass wir eines brauchen“, überlegte er weiter. Der Göllsdorfer Bau, der sei halt ein „Dach über dem Kopf, es gibt eine Heizung, wenn auch eine schlechte.“
Ein Abrisssignal bereits im Oktober, „das wäre ein Schildbürgerstreich gewesen“, so Posselt heute, er wäre „zu Unzeit“ gekommen. „Wir wollten nicht abreißen lassen, und morgen stehen dann Busse mit Flüchtlingen da.“
Heute seien die Rahmenbedingungen andere, erklärt der CDU-Stadtrat und Sprecher seiner Fraktion. „Wir haben jetzt Unterbringungsmöglichkeiten“, sagt er weiter, und meint etwa den Vaihingerhof, das Spital, das ehemalige WKD-Gebäude in der Schlachthausstraße und die Plätze, die Zimmermann und Stadtrat Nowack zur Verfügung stellen will.
Also kann Posselt den Bürgern aus dem Teilort das Wort reden: „Die Göllsdorfer haben so lange geplant“, gibt er zu bedenken. Zwar komme es auch jetzt nicht auf fünf oder sechs Monate an, aber den Abriss, den könne man jetzt angehen. Ab Mai, so Posselt. Der zeitliche Druck ist ja auch raus: Die nächste Saukirbe, die die Göllsdorfer gerne in und um die neue Halle herum feiern würden, könnten sie zur Not um auch ein Jahr verschieben. Also, wenn es unbedingt sein muss, wie der Ortsvorsteher, Wolfgang Dreher betont.
Die Verschiebung der Saukirbe, die käme dann auch für den Fall, dass die alte Halle mit Flüchtlingen belegt werden müsste und der Abriss nicht starten könnte. Mit 200 Flüchtlingen, wie der Oberbürgermeister am Mittwoch in Bezug auf die Göllsdorfer Halle vorrechnete. Eine Zahl, die nun wieder relativiert wird. Sie sei „eine überschlägige Schätzung“ gewesen, sagt der städtische Pressesprecher auf Nachfrage der NRWZ, „wieviel Flüchtlinge ungefähr in einer Turnhalle allgemein untergebracht werden können.“