ROTTWEIL (pm) – 70 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Konzentrationslager präsentiert die Initiative Eckerwald die Ausstellung „Freiheit – so nah, so fern. Das doppelte Ende des Konzentrationslagers Natzweiler“. Initiative Eckerwald und Stadt Rottweil laden alle Interessierten zur Ausstellungseröffnung am Donnerstag, 8. Oktober ab 18 Uhr in das Alte Rathaus in Rottweil ein.
Die Ausstellung, die von einem deutsch-französischen Ausstellungsteam erarbeitet worden ist hat ein wenig bekanntes Kapitel der gemeinsamen Geschichte zum Thema: das ebenso leidvolle wie ungewöhnliche Ende des Konzentrationslagers Natzweiler.
Unter dem Druck des Vormarschs der Alliierten evakuieren die nationalsozialistischen Machthaber ab September 1944 das Hauptlager Natzweiler und seine linksrheinischen Außenlager. Doch für die Häftlinge geht die Hölle weiter: das „Konzentrationslager Natzweiler“, das weiterhin den Namen des aufgegebenen Ortes trägt, wird komplett auf die andere Rheinseite verlagert.
Während Nazideutschland langsam zusammenbricht, reorganisiert sich der Komplex für einige Monate auf ebenso erstaunliche wie effektive Weise. Erst im April 1945 hört es zu funktionieren auf – was noch Tausende Opfer kostet. Der französische Titel der Ausstellung „Bientôt la liberté nous reviendra“ – „… dass bald die Freiheit wiederkehrt“ drückt Hoffnung aus. Er zitiert einen Satz aus dem Natzweiler-Lied, das der Häftling Arthur Poitevin am 19. Januar 1944 komponiert hat.
Der deutsche Titel „Freiheit – so nah, so fern“ drückt hingegen eher ein Gefühl der bitteren Enttäuschung aus. Denn die Häftlinge, die im Herbst 1944 die Befreiung zum Greifen nah wissen, müssen über den Rhein nach Osten ziehen – was die Freiheit in weite, fast unerreichbare Ferne rückt.
Beim Rundgang durch die Ausstellung helfen Karten und Texte zu verstehen und sich im Gewirr der Orte und Daten zurechtzufinden. Die Ausstellung gibt den Zeitzeugen viel Raum. Ihre individuellen Schicksale stehen im Mittelpunkt, in zehn exemplarischen Lebensgeschichten spiegelt sich die Geschichte vom Ende des Lagers.
Diese Menschen kommen aus vielen Ländern Europas, sie sind Zeugen der harten und schmerzlichen Monate an der Wende der Jahre 1944 und 1945. Manche von Ihnen haben nicht überlebt, viele sind dem Tod sehr nahe gewesen, etliche haben ins Leben zurückgefunden. Sie erzählen von ihrem Leid, aber auch von ihrer Hoffnung.
Die Ausstellung wirft ethische Fragen auf: Was wusste man von den Lagern? Wer war für dieses unmenschliche System verantwortlich, wer zog daraus Nutzen? Die Ausstellung unterstreicht die bedeutende Rolle, die deutsche Firmen für das System der Konzentrationslager gespielt haben. Ihr Hunger nach billigen Arbeitskräften wird als wichtige Triebkraft benannt. Die Gedenkstätte Eckerwald erinnert an dieses letzte Kapitel nationalsozialistischer Kriegspolitik.
Von September 1944 bis Frühjahr 1945 wurde auf diesem Gelände eine Schieferölfabrik errichtet. Die Anlage gehörte zum „Unternehmen Wüste“, einem Industriekomplex, dessen Bestimmung es war, die Treibstoffkrise, die sich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs abzeichnete, zu beheben. KZ-Häftlinge aus sieben Außenlagern von Natzweiler-Struthof entlang der Bahnlinie Tübingen- Rottweil wurden hier gezwungen, ihren Beitrag zur Kriegswirtschaft zu leisten.
Vom 9. – 22. Oktober sind Schulklassen ebenso wie Privatpersonen eingeladen, einen Rundgang durch die Ausstellung während der Öffnungszeiten des Alten Rathauses in Rottweil, sowie samstags und sonntags von 10-17 Uhr zu machen. Der Eintritt ist frei.
Info: Die Initiative Eckerwald bietet begleitend Führungen auf dem Gedenkpfad im Eckerwald an (10.10. / 11.10. / 17.10. / 18.10. jeweils um 14.30 Uhr, Treffpunkt Eckerwaldparkplatz). Weitere Informationen gibt es unter www.gedenkstaetten-bw.de, www.rottweil.de, www.struthof.de oder im Kulturamt der Stadt Rottweil unter 0741-494219.