Das Jahr fing gefühlt Mitte März an und das mit einem Ende, mit dem Ende des gesellschaftlichen Lebens. Alles Vorherige gehört in eine andere Epoche. Die ersten Wochen des neuen Jahres waren daher von Umwälzungen bestimmt. Als wäre die ganze Familie ausgewandert. In der Fremde ist man ähnlich auf sich und die seinen begrenzt und lernt mit jedem Tag die Regeln der Umgebung neu. Das Fremdsein wird schnell ´normal´, das Vertraut-werden dagegen dauert lang, und selbst kleine Erkenntnisse fühlen sich an wie Meilensteine auf dem Weg zu neuer Sicherheit.
Wir waren nie Meister fester Strukturen und Abläufe. Nicht, weil wir keinen Wert darauf legten, das tun wir, aber manchmal drängt sich auch etwas anderes auf, manchmal ist ´Regelmäßigkeit´ nicht das dringlichste Problem. Wir ergaben uns dem Fluß der Dinge und hielten die Köpfe oben. Wenigstens sind wir nicht so schlecht darin, unser bestmögliches aus einer Lage zu machen. Mitunter hatten wir viel Spaß in diesem Gewässer und wir lernten viel von – und miteinander. Und wie die Schule jetzt wieder anfängt, stellen wir fest – es geht. Der große Schock ist ausgeblieben. Das frühe Aufstehen ist nach wie vor ungeliebt, aber als ich ankündigte ´bald wieder volle Wochen´ zeigte der Sohn sich bereit – er will. Das hat mich gefreut. (Wir sind uns einig, dass wir uns eine 9-Uhr-Schule wünschen. Der etwas spätere Beginn nahm viel Dampf aus den Tagen). Und auch schulstofflich kommt er mit; manche Kinder strecken schon, da hat die Lehrerin noch nicht mal den Satz zu Ende gesagt, er muss noch kurz überlegen, aber dagegen ist nicht viel einzuwenden. ´Puh´. Erstmal.
Im Mai wurden in Sibirien innerhalb des Polarkreises 30 Grad Celsius gemessen. Und die EU beschloss ein 500 Milliarden schweres Wirtschafts-Soforthilfeprogramm, das erste von einer ganzen Reihe weiterer. Die Wirtschaft soll alles wieder aufholen, so schnell wie möglich, und weiterwachsen, wohin auch immer. Der Permafrost taut. Die Lufthansa wird mit 9 Milliarden ´gerettet´ und fliegt mit voll besetzten Flugzeugen auch wieder fleißig Inlandsflüge. Und Porsche fährt direkt nach der Kurzarbeit Sonderschichten. Versteh, wer will.
Bill Gates schickt sich an die Welt zu retten. Ich weiß nicht wie hoch genau die Summe ist, aber er scheint bereit zu sein, ziemlich viel seines Reichtums in die Erforschung eines Impfstoffes zu stecken. Das soll ich jetzt wohl bewundern. Aber eigentlich finde ich es anmaßend. Abgesehen davon, dass ich solche Dimensionen von Reichtum fragwürdig finde, wäre es nicht an einer Einzelperson oder deren Stiftung, diese Forschung zu lenken, sondern an übergeordneten, möglichst globalen Institutionen. Die Uno mag überarbeitungsbedürftig sein, aber ich meine, sie ist unverzichtbar und braucht eher mehr, als weniger Einfluß. Es würde genügen, Bill Gates überwiese Geld, und wenn er dann schon dabei ist, könnt er auch gleich noch an das WorldFoodProgram überweisen. Dann müssten sie im Jemen nicht verhungern.
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