Wie sieht eigentlich „Nachhaltigkeit im Baubereich“ aus? Diese Frage stellte sich die politische Vereinigung Buntspecht an ihrem vergangenen Themenabend. Zur Klärung dieser Frage hatten sie Architekt Dominik Nagel eingeladen, der auch Berater der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ ist. Über den Abend berichten die „Buntspechte“:
Nagel stellte zuerst Herkunft und Definition des Begriffs Nachhaltigkeit vor. Das Vorrangmodell besagt dabei, dass Ökologie, Soziales und Ökonomie Bereiche sind, die sich nicht nur überschneiden, sondern dass sie einander bedingen. „Es gibt keine Wirtschaft ohne Gesellschaft und keine Gesellschaft ohne Ökologie“, so Nagel. Auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen seien nach diesem Prinzip aufgebaut – Grundlage sei der Erhalt der Biosphäre.
Effizienz, Konsistenz und Suffizienz
Ein generelles Konzept für nachhaltiges Bauen orientiert sich an den Begriffen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Effizienz im Sinne von geringerem Aufwand bei gleichem Nutzen. „Ein Beispiel wäre ein geringerer Energieverbrauch zur Herstellung von Bauteilen“, erläuterte Nagel.
Konsistenz bedeutet andere, naturverträglichere Verfahren zu wählen. Bei Baustoffen wäre das der Wechsel hin zu nachwachsenden Ressourcen. Und die Suffizienz betrifft die generelle Senkung des Verbrauchs von Ressourcen. „Dies könnte,“ so Nagel, „eine Reduzierung des Flächenbedarfs sein.“
Flächenverbrauch immer noch sehr hoch
Der Flächenverbrauch für Bautätigkeit liegt in Deutschland derzeit bei rund 56 Hektar pro Tag. Das ist bereits mehr als eine Halbierung seit dem Jahr 2000, als noch 129 Hektar pro Tag „verbraucht“ wurden. „Hier hat sich schon einiges getan“, befand Nagel.
Um diese Entwicklung weiter fortzuführen, gebe es die Möglichkeiten von Umnutzungen und vertikalen oder horizontalen Nachverdichtungen. Das heißt, Areale und Gebäude einer neuen Nutzung zuführen, sowie Gebäudeaufstockungen und Ergänzungen im Bestand. Dabei kann von Seiten der Stadtplanung auch die solare Energieerzeugung mitberücksichtigt werden.
Nagel zeigte an einem Beispiel auf, wie bei einer Quartiersplanung durch Anordnung der Gebäude zueinander, die Möglichkeit zur solaren Energiegewinnung optimiert werden könne. Bei der Frage nach Heizsystemen gebe es derzeit verschiedene Möglichkeiten nachhaltiger zu werden. Wichtig sei es aber vor allem, zukünftig Heizsysteme ohne fossile Grundlage zu wählen.
Kreislaufwirtschaft auch beim Bauen: Schrauben statt kleben
Zu den Methoden beim Bau sagte Nagel, dass man sich am „Cradle-to-Cradle-Prinzip“ orientiere müsse. Materialien und Bauteile sollten in einer Kreislaufwirtschaft verbleiben können. Dies betrifft vor allem auch die Einbautechnik. „Statt Verklebungen sollte man mechanische Befestigungen wählen“, so Nagel.
Dadurch sei bei einem Rückbau die Trennung der einzelnen Bauteile und Recycling möglich. In Konsequenz gebe es keine Entsorgung mehr, da alle Stoffe in technischen oder biologischen Kreisläufen verblieben.
Im Schwarzwald nichts Neues
Gunnar Link ergänzte in der Diskussionsrunde, dass man sich dieses Prinzip an alten Schwarzwaldhöfen abgucken könne. Es wurden natürliche, vor Ort verfügbare Materialien wie Holz verwendet. Bauteile, wie Balken oder Sockelsteine, seien oft bereits in vorherigen Gebäuden verbaut gewesen.
Zudem seien Fachwerk- oder Blockbohlenwände mit einfachen Handwerksmethoden reparabel. Dies stellt laut Link auch ein weiteres Kriterium der Nachhaltigkeit dar. „Sind Gebäude leicht reparabel, haben sie ein längeres Leben“, so Link. „Daher sollte man bei Gebäuden auch einen viel längeren Lebenszyklus anvisieren.“
Das alte Rathaus in Esslingen sei beispielsweise ein fünfstöckiges Holzhaus und stehe seit sechshundert Jahren. Manche öffentlichen Gebäude aus den 1970er Jahren würden jetzt bereits wieder abgerissen, so Link. „Holzbau in verschiedenen Formen sei glücklicherweise wieder sehr aktuell“, resümierte Link. Auch alte Baumethoden wie Stampflehm fänden sogar bei Bürogebäuden Anwendung.
Zu viele Vorschriften
Als Vertreter einer umweltpolitischen Gruppierung kritisierte Link zum Schluss aber auch eine Überreglementierung im Baubereich. „Man muss aufpassen, dass nicht zu viele Baugesetze und Normen, auch aus Energiespargründen, das Bauen zu kompliziert machen“, so Link. Er nannte in diesem Zusammenhang das Forschungsprojekt „Einfach Bauen“ der TU-München.

Zu hohe Komplexität könne demzufolge zu mehr Fehlern in der Bauausführung führen. Umfangreiche und möglicherweise unnötige Gebäudetechnik zu hohem Ressourceneinsatz und Fehleranfälligkeit. „Auch nicht jede Dämmung ist nachhaltig, wenn man nach dreißig Jahren Sondermüll aus den Wänden holen muss“, befand Link. Daher sei es ein gutes Ziel, nachhaltiges und einfacheres Bauen zu vereinen.