ROTTWEIL – Am Anfang stand ein Traum. Der Traum von einer Kirche, die am Evangelium orientiert als eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten und Gleichwertigen in die Zukunft geht. Damals, in den Jahren von 1967 bis 1970, der Bauzeit von Auferstehung Christi, wehte Frühlingsluft in der Kirche. Das II. Vatikanische Konzil, die größte und bedeutendste Versammlung von Bischöfen und Verantwortungsträgern der katholischen Kirche im 20.Jahrhundert (1962 – 1965) war gerade zu Ende gegangen.
Viele Neuerungen waren beschlossen worden und so spürte man allerorten, jetzt geht es aufwärts, jetzt kommt Bewegung in die älteste noch existierende Institution der Welt. Papst Johannes XXIII, welcher das Konzil einberufen hatte, hatte dazu aufgerufen, die Fenster zu öffnen, der Kirche eine Modernisierung zukommen zu lassen.
Am sinnenfälligsten war die Reform der Liturgie: Anstatt des für die meisten Gottesdienstbesucher unverständlichen Lateins sollte die Landessprache die beherrschende Sprache im Gottesdienst werden. Man wollte erreichen, dass die Gläubigen aktive Teilnehmer am Gottesdienst werden, eine Gemeinschaft, die sich um das Zentrum, um Christus versammelt. Jeder sollte auf seine Weise zum Gottesdienst beitragen können und nicht unbeteiligter Zuschauer sein. Begriffe wie „Hokuspokus“, welches sich aus dem Satz „Hoc est corpus meus“ entwickelt hatte, zu Deutsch „Dies ist mein Leib“, drücken aus, wie weit viele Gläubige innerlich von dem entfernt waren, was da eigentlich gefeiert wurde.
Die Kirche wollte sich nicht mehr als streng hierarchische Ordnung verstehen mit einem unfehlbaren „Alleinherrscher“ an der Spitze und vielen gehorsamen Schäfchen zu seinen Füssen. Stattdessen setzte sich das Bild vom wandernden Volk Gottes durch, in dem es zwar unterschiedliche Dienste und Berufungen gibt, aber alle dem einen Herrn nachfolgen.
Ein weiteres war die Öffnung zur Welt: „Freude und Hoffnung der Menschen sind auch Freude und Hoffnung der Kirche“, so beginnt eines der Dokumente des Konzils. Die Kirche wollte nicht mehr länger heilige Gemeinschaft fernab der Realitäten dieser Welt sein, sondern mittendrin sich die Sorgen und Probleme der Menschen zu eigen machen, Stellung beziehen zu Ungerechtigkeiten und alles dafür tun, um an deren Beseitigung mitzuhelfen.
Diese Ideen schwebten also in der Luft und in den Herzen der Menschen, die sich 1967 daran machten, auf dem Berg in der Rottweiler Südstadt eine neue Kirche zu bauen. Der damalige Rottweiler Dekan Ochs, die Rottweiler Künstler Siegfried Haas und Franz Bucher, sowie das Stuttgarter Architekturbüro Kammerer wollten einen Bau erschaffen, der den modernen Geist widerspiegelt und den Weg in die Zukunft weist.
Aus drei Himmelsrichtungen kann die Kirche betreten werden, kein Haupt- oder Nebeneingang setzt Prioritäten, sondern jeder, der die Kirche betritt, egal, was er mitbringt, egal, woher er kommt, ist in dieser Gemeinschaft willkommen und ebenso ist jeder auf seine Weise wieder hinaus in die Welt gesandt.
Die Kirchenbänke sind nicht alle in gleicher Blickrichtung angeordnet, sodass man im besten Fall den Rücken des Vordermannes sieht, drei unterschiedliche Blöcke sind in bestimmtem Winkel um das Zentrum, den Altar angeordnet, sodass man einander sehen kann und niemand weiter als 20 Meter vom Altar sitzen muss. Das hierarchische Bild von denen in den ersten Reihen und denen, die sich mit den Plätzen weiter hinten begnügen müssen, ist aufgebrochen und jeder kann sich zur Gemeinschaft dazugehörig fühlen.
Verstärkt wird dies dadurch, dass die Sitze des Priesters und der Ministranten den Kreis quasi schließen. Dadurch wird der Vorsteher der Gemeinde vom entrückten Zelebranten zum Diener wie alle anderen an dem, worum sich alles dreht. Ausgedrückt wird dies auch durch die Dachkonstruktion. Erinnert sie als Ganze an ein Zelt und symbolisiert damit, dass auch die Kirche nicht für sich steht, sondern zeitliche Einrichtung auf dem Weg zum Reich Gottes ist, so zeigen die zum Altar hin sich neigenden Dachstreben, wo das Zentrum ist. Tatsächlich ist der Altarraum der Bereich mit der niedrigsten Raumhöhe, das Dach verneigt sich geradezu vor der Gegenwart Christi.
Die neue Verbindung zwischen Kirche und Welt wird auch durch die hohe Lichtdurchlässigkeit ausgedrückt. Um die ganze Kirche ist ein Fensterband angebracht, das den Blick in jede Himmelsrichtung hin freigibt. Bis zur Renovation zu Beginn des neuen Jahrtausends war auch der Fußbodenbelag in der Kirche bewusst als Fortsetzung des Straßenbelags draußen gestaltet worden und die Beleuchtung im Stil von Straßenlaternen gewählt. Wohl aus praktischen Gründen ist dies verändert worden.
Diese und viele weitere Details der Kirche sind Hinweise darauf, wie die Menschen vor 50 Jahren sich Kirche erträumt haben. Vieles davon ist aktueller denn je in einer Zeit, in der die Kirche als weltfremd erfahren wird, die keine Antworten mehr auf die Fragen der Menschen von heute weiß. Auferstehung Christi ist Bau gewordener Zukunftstraum von Kirche. Einer Kirche, die Heimat bietet für unterschiedlichste Menschen und die daran erinnert, dass Kirche nur dann einen Sinn macht, wenn sie mitten in der Welt lebt.
Oft wird Auferstehung Christi liebevoll als „St. Beton“ bezeichnet oder als „Seelenabschussrampe“, weil sie so ganz anders ist als man in Rottweil Kirchen kennt. Und verglichen mit dem Münster, der Kapellenkirche, Ruhe Christi und auch der anderen Jubilarin, der Predigerkirche kann sie mit ihrem nüchternen Sichtbeton an Gefälligkeit wenig punkten. Aber sie ist die einzige Kirche in der Rottweiler Kernstadt, die konsequent nach den Ideen des II.Vaticanums gebaut worden ist.
Wer also nach der Zukunft der Kirche fragt, kommt an Auferstehung Christi nicht vorbei. So gesehen lässt sich sogar sagen, dass sie die Wichtigste der Rottweiler Kirchen ist, auf jeden Fall unerlässlicher Kontrapunkt und Ergänzung. Sie erinnert die Menschen, die sie besuchen, daran, wie Kirche in der Welt von heute sein soll und ist Mahnmal dafür, dass man sich immer daran orientiert. Der Kirchengemeinderat von AC, wie die Kirche intern oft genannt wird, hat dies so formuliert: „Wir sind eine offene, lebendige Kirchengemeinde, die das Evangelium im Heute lebt.“
Anlass zur Gründung einer neuen Gemeinde waren vor 50 Jahren die neu erschlossene Heerstraße, die Erweiterung des Stadtgebietes Richtung Süden und Westen mit über 1000 neuen Einwohnern. Durch die neuen Wohngebiete auf der Spitalhöhe ist die Gemeinde Auferstehung Christi heute in einer ganz ähnlichen Situation. Wollten die Gründer damals mit dieser Kirche in die Zukunft weisen, so möchte die Gemeinde durch das Jubiläum heute neue Impulse für eine zeitgemäße Kirche des 21. Jahrhunderts setzen.
Dekan Ochs formulierte dies in seiner Ansprache zur Grundsteinlegung: „Es ist zu hoffen, dass die neue Kirche als Zentrum einer neuen lebendigen Gemeinde, die den frohen und hoffnungserfüllten Titel „Auferstehung Christi“ trägt, für viele Generationen Heimstätte für die Gottesbegegnung wird.“ Dies könnte nach 50 Jahren genau so formuliert werden.