ROTTWEIL – Eine zweitägige Fahrt nach Augsburg hatte die Heilig-Kreuz-Gemeinde angeboten, besonders für Familien mit Kindern. Die Fahrt organisiert, geleitet und die Führungen übernommen hatte Veronika Heckmann-Hageloch. Bei schönstem Frühlingswetter machten sich 18 Erwachsene und elf Kinder und Jugendliche auf die Reise in eine an Kunst und Geschichte besonders reiche Stadt in bayerisch Schwaben.
Augsburger Gold- und Silberschmiedekunst war seit dem Spätmittelalter führend für Tafelsilber an Fürsten-höfen und, besonders im 18. Jahrhundert, für liturgische Geräte, wie Kelche und Monstranzen, die weit exportiert wurden, auch nach Rottweil. Bekannte Namen werden mit Augsburg verbunden: die Kaufmannsfamilie Fugger schrieb um 1500 Weltgeschichte. Die Familie Mozart stammt aus der Umgebung Augsburgs: Leopold Mozart (1719 -1787), Vater von Wolfgang Amadeus und Nannerl, wurde dort geboren. Elias Holl (1573-1646), bedeutender Baumeiser der Renaissance, prägte durch seine Bauten die Stadt. Der Schriftsteller Bertolt Brecht (1898-1956), ebenfalls Augsburger, entwickelte das „epische Theater“. Gedichte von Brecht lassen besonders dessen Eintreten für soziale Gerechtigkeit und Frieden deutlich werden. Auszüge aus einem Brief W.A. Mozarts an sein Augsburger „Bäsle“ wurden zu Gehör gebracht und gaben einen Eindruck vom Humor Mozarts.
Der Stadtrundgang begann mit dem Besuch des Domes, dessen Baugeschichte innen wie außen deutlich ablesbar ist: erbaut über den Resten der römischen Stadt, sind Spuren aus karolingischer Zeit und Bauteile der Romanik und Gotik bis zum Barock sichtbar. Besonders herausragende Schätze wurden dabei herausgegriffen, zum Beispiel die fünf Prophetenfenster, die frühesten figürlichen Glasmalereien Deutschlands, um 1140 entstanden. In der barocken Marienkapelle konnte auf einem großen Schutzengel-Gemälde auch ein hässlicher Teufel entdeckt werden, der sich eine schöne Maske vor sein Gesicht hält, die einer Gschell-Larve sehr ähnlich sieht. Der Spaziergang durch die Stadt ging dann weiter in Richtung Rathaus. In der Kirche St.Peter am Perlach ist ein inzwischen sehr berühmtes barockes Gemälde zu sehen, weil sich eine Kopie davon im Vatikan bei Papst Franziskus befindet, der dieses Bild sehr schätzt: „Maria Knotenlöserin“. Maria gelingt es in dieser Darstellung ein Band zu entwirren, das ihr gereicht wird. Vor diesem Bild wenden sich Menschen an Gott mit ihren Bitten um die Lösung von manchen Beziehungsknoten oder wirren Lebenswegen. Ein Kunstwerk von hohem Rang ist das Augsburger Rathaus, nach den Plänen von Elias Holl um 1620 erbaut. Es gilt als der erste Profanbau der Renaissance nördlich der Alpen. Wie auch viele andere Bauwerke Augsburgs, wurde dieses Gebäude im zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört, ist aber historisch getreu wieder aufgebaut. Beeindruckend in seiner Größe und Schön-heit ist das Gebäude an sich und vor allem der „Goldene Saal“, ein Repräsentationsraum mit reichem Freskenschmuck, der die Sapientia (Weisheit) verherrlicht in der Darstellung von Tugenden, von römischen und christlichen Kaisern. Interessant sind die vielen lateinischen Inschriften, die ein Zeugnis geben von antiker Bildung der damaligen Zeit der Renaissance, die ja die römische Antike wieder neu entdeckte.
Nach der Mittagspause wurde die Besichtigung der Stadt fortgesetzt mit dem Besuch von St. Moritz, einer 1000 Jahre alten Kirche. Die völlige Neugestaltung des Innenraumes 2013 durch den Londoner Architekten und Designer John Pawson gab der Kirche eine ganz besonders überzeugende spirituelle Strahlkraft. Im reinen Weiß kommen die ursprünglichen romanischen und später barockisierten Bauformen und die wenigen dunklen Holzplastiken besonders zur Geltung. Außergewöhnlich ist die lebensgroße Figur des auferstandenen Christus, der auf die Betrachter hin zu eilen scheint. Georg Petel hat sie 1630 geschaffen. Wegen der Fastenzeit bleibt diese Skulptur momentan von einem Tuch verborgen, vor dem ein großer Kruzifixus aufgestellt ist. Von der Gesamtwirkung war die ganze Gruppe sehr beeindruckt.
Seit der Reformation leben in der ehemaligen freien Reichsstadt Katholiken und Evangelische, zuerst in vielen Auseinandersetzungen und später in friedlichem Miteinander. Beim Besuch der Kirche St. Anna, der evangelischen Hauptkirche der Stadt, wurde das sinnenfällig. Um 1500 ließ Jakob Fugger der Reiche in dieser Kirche eine Grabkapelle für seine Familie errichten, die mit Kunstwerken höchster Qualität ausgestattet ist und als erster Sakralbau der Renaissance in Deutschland gilt. Später blieb zwar die Fugger-Kapelle katholisch, aber die Kirche wurde evangelisch. Martin Luther war 1518 in St.Anna und wurde vom römischen Kardinal Cajetan zu seinen Lehren befragt. Zum Augsburger Reichstag 1530 mit Kaiser Karl V. hatte Philipp Melanchthon eine Bekenntnisschrift verfasst, die zur Versöhnung der Konfessionen beitragen sollte. Obwohl heute vieles, was darin zu lesen ist, durchaus auch von Katholiken unterschrieben werden könnte, gelang damals die Wiederherstellung der Einheit nicht. Die „Confessio Augustana“ fasst die wesentlichen Anliegen der Reformation zusammen und ist bis heute weltweit das verbindliche Bekenntnis der Lutheraner. Zur Rechtfertigungslehre, einer der damals wesentlichen Streitfragen, wurde am 31. Oktober 1999 in St. Anna die „Gemeinsame Erklärung“ unterzeichnet zwischen dem Lutherischen Weltbund und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Darin wird festgestellt, dass die Lehre von der Rechtfertigung gemeinsame Glaubensüberzeugung und somit nicht kirchentrennend ist.
Auf dem Weg durch die große Prachtstraße der Stadt konnte noch ein Blick in die Stadtpaläste der Fugger geworfen werden, deren Innenhöfe an italienische Palazzi erinnern. Nach dem Abendessen stand der Besuch in der „Augsburger Puppenkiste“ auf dem Programm. Bei der Besichtigung des Museums begegnete man „alten Bekannten“, wie Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer, Urmel und Kater Mikesch. Bei der Aufführung des aktuellen „Kabarett“ am Abend gab es viel zu Lachen. In der Pause durfte das Publikum auch hinter die Bühne blicken, mit den Puppenspielern reden und die Marionetten aus der Nähe sehen.
Tags darauf, am Sonntag, besuchte die Gruppe die besonders schöne Kirche St. Ulrich und Afra. Ein gotischer Bau aus der Zeit um 1500 mit riesigen geschnitzten Altären und einer Fülle von oft vollplastisch gearbeiteten Figuren aus der Renaissance von 1620 illustrieren die Hochfeste des Christentums: Weihnachten, Ostern, Pfingsten. Zugleich sind sie den Stadtheiligen Arfa und Ulrich gewidmet, über deren Gräbern sie errichtet sind. Herzlich begrüßt wurden die Rottweiler von Mesner Anton Holzmüller, der die Schatzkammer und die Marienkapelle auf der Empore extra aufschloss. Den anschließenden Gottesdienst empfanden viele als besonderen Höhepunkt der Reise. Zehn Rottweiler Ministranten und zwei Kommunionhelfer durften sogar das liturgische Team verstärken. Kaplan Jonathan freute sich darüber und begrüßte auch die Gruppe aus der Heilig-Kreuz-Gemeinde Rottweil. Nach dem gemeinsamen Mittagessen ging die Fahrt noch zur „Fuggerei“, der ersten Sozialsiedlung der Welt, die von Jakob Fugger 1521 gegründet wurde und noch heute besteht. Es ist eine kleine „Stadt in der Stadt“ mit Reihenhäusern und Kirche für bedürftige katholische Augsburger. Zur Miete, die unverändert ist und heute 0,88 Euro im Jahr beträgt, gehören täglich drei Gebete für die Familie Fugger. Der Urgroßvater von W.A.Mozart lebte dort. Ein kleines Museum macht deutlich, welch riesiges Vermögen und Handelsimperium die Fugger einst besessen haben mit weltweiten Verbindungen bis Südamerika und Afrika.
Erfüllt von vielen schönen Eindrücken kehrte die Gruppe nach Rottweil zurück.