ROTTWEIL – Für Papst Franziskus ist das Thema Barmherzigkeit so wichtig, dass er ein außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen hat. Neu ist, dass es vor Ort in allen Diözesen der Weltkirche erlebt werden kann, nicht nur in Rom. Und deshalb hat Dekan Martin Stöffelmaier in der Kapellenkirche am 3. Adventssonntag eine „Heilige Pforte“ geöffnet.
Thomas von Aquin sagte, Barmherzigkeit walten zu lassen sei ein Wesensmerkmal Gottes und gerade darin zeige sich seine Allmacht. Der Papst schreibt in seiner Einberufungsbulle , es gebe Augenblicke, in denen wir aufgerufen seien, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten und dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden.
Wir sollen unser besonderes Augenmerk auf die Armen und Schwachen richten, auf die Flüchtlinge, auf die Entrechteten und auch auf alle jene, die ihr Leben nicht mit der reinen Lehre der Katholischen Kirche in Einklang bringen könnten. Und so stellt diese „Heilige Pforte der Barmherzigkeit“ in Rottweil eine Einladung dar, vor die eigene Haustür zu schauen und sich mit den Werken der Barmherzigkeit den Herausforderungen unserer heutigen Zeit zu stellen.
Info: Es gibt sieben leibliche und sieben geistliche Werke der Barmherzigkeit. Im Neuen Testament, Mt 25,34-46 spricht Jesus vom künftigen Weltgericht: „Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen… Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Was ihr getan habt einem von meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
In der heutigen Zeit kann dies in der Praxis bedeuten, dass wir alle Menschen achten, genau hinsehen, sie ansprechen und zuhören können. Zur Barmherzigkeit gehört auch Berühren (etwa bei Sterbenden), Trösten, Unterkunft bieten, praktische Hilfen geben. Es gilt auch, sich Zeit für den andern zu nehmen, Verantwortung zu tragen und überhaupt erst helfen zu lernen. Barmherzig ist ein Mensch, wenn er fremde Not teilt und lindert, ohne an seinen eigenen Vorteil zu denken.
Auch im Islam gelten Barmherzigkeit und Gnade als oberstes Prinzip Gottes. Muslime beginnen ihre Gebete mit den Worten „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen“. In Sure 6/Vers 12 heißt es, Gott habe sich zur Barmherzigkeit verpflichtet, sie sei gegenüber seinen Geschöpfen grenzenlos. Für Muslime gilt die Mahnung Mohammeds „ihr werdet das Paradies nicht betreten, bevor ihr nicht barmherzig handelt“.