ROTTWEIL – „Die Orgel tanzt“ lautete das Motto beim vierten „Orgelpunkt“ am vergangenen Samstag. Der Orgel als dem „Instrument des Jahres 2021“ ist eine neue Reihe musikalisch-liturgischer Veranstaltungen in der Predigerkirche gewidmet. Kirchenmusikdirektor (KMD) Johannes Vöhringer hat die Reihe mit verschiedenen Musikern konzipiert und spielte bei diesem „Orgelpunkt“ wieder selbst die Orgel.
Zu der etwa 40-minütigen Musik-Andacht hatte sich viele Interessierte eingefunden. Pfarrerin Annegret Künstel gab kurze Erläuterungen zu den drei verschiedenen Tänzen, deren biblische Vorlage für die musikalische Deutung dienten, und schloss mit Gebet und Segen die Feier ab. Nach langer Zeit war wieder Gemeindegesang – mit Mund-Nasen-Schutz allerdings- erlaubt. Deshalb beschloss das gemeinsam gesungene Lied „Abend ward, bald kommt die Nacht“ die Andacht.
Zu Beginn und als Hinführung zum Thema des „Orgelpunktes“ hatte der Organist eine Corrente, ein wirkliches Tanz-Stück, des Renaissance-Komponisten Paquini ausgewählt, das fröhlich und leicht beschwingt wirkte. Ganz anders konnte man die modernen Kompositionen von Andreas Willscher (geb. 1955) empfinden, in denen markante Rhythmen die Melodien dominierten. In ihren Erläuterungen hatte Annegret Künstel darauf hingewiesen, dass in einigen biblischen Tanz-Geschichten manches, ja sogar Gott, in Frage gestellt würden.
„Davids Tanz vor der Bundeslade“ ließ in der musikalischen Umsetzung den Tanz Davids fast lebhaft vor Augen entstehen. Kräftige, rhythmische, schnelle Teile wechselten mit langsamen, ruhigeren ab. In der Bundeslade befanden sich die Tafeln mit den zehn Geboten. Sie war dadurch Zeichen der Gegenwart Gottes. Bis heute gibt es im Judentum den liturgischen Tanz mit den Thora-Rollen zu bestimmten Anlässen. Zur Einweihung der neuen Synagoge in Rottweil konnten viele Menschen das während einer Prozession durch die Stadt selbst erleben. Ein Zwischenteil
im „Orgelpunkt“ mit einem Adagio von Beethoven ließ danach zur Ruhe kommen. Der „Tanz der Tochter Jiftachs“ beruht auf einer traurig-tragischen, erschütternden Geschichte. Und so wechselten leicht-beschwingte, besinnlich-ruhige und dunkle, schwere Akzente ab. Ein ruhig- harmonisches Trio von Joseph Rheinberger(1839-1901) bot Gelegenheit zum Innehalten. Der „Tanz um das Goldene Kalb“ brachte ebenfalls die Dramatik des Ereignisses zum Ausruck, denn die Harmonie im Volk Israel war durch seine Absage an den Glauben, wie er sich im Tanz um das Goldene Kalb zeigte, verloren. KMD Johannes Vöhringer ist es an diesem Abend mit großer Leidenschaft gelungen, der Orgel vielfältige Möglichkeiten zu entlocken, um Emotionen auszudrücken.
Die Reihe „Orgelpunkt“ als Zeit zum Innehalten soll an weiteren Samstag-Abenden fortgeführt werden. Abgeschlossen wird die Reihe mit einem „Ökumenischen Orgelspaziergang“ zu Rottweils Orgeln am Samstag, 9. Oktober 2021. Der nächste „Orgelpunkt“ ist vorgesehen am Samstag, 26. Juni, um 18 Uhr in der Predigerkirche zum Thema „Porträts biblischer Frauen“.