ROTTWEIL – Am vergangenen Sonntag fand in der Predigerkirche ein Gottesdienst mit Kinderchor statt zum Thema „ Manchmal verändert ein Tag dein Leben, manchmal verändert ein Mensch die Welt.“ Luther auf dem Reichstag in Worms.
Veränderungen kennen wir – zur Genüge. In einer Umbruchszeit suchen wir nach klarer fester Orientierung – und müssen doch zugeben, dass sich auch manche feste Überzeugungen verändern. Das war auch damals so in der Zeit, in der Martin Luther seine Thesen gegen den Ablass schrieb – gegen eine verdrehte, unmenschliche Form der Vergebung. Gegen Geld sollte „die Seele aus dem Fegefeuer“ springen.
Mit Geld kann man keine Schuld loswerden – Vergebung gibt es umsonst bei Gott, lehrte Martin Luther. Jugendliche und Kinder aus dem Kinderchor von Johannes Vöhringer sangen der Gemeinde diese Geschichte überzeugend vor – bis zum entscheidenden Tag damals am 18. April 1521. Da wurde Martin Luther aufgefordert, seine Thesen vor der weltlichen und kirchlichen Macht zu widerrufen. Aber Martin Luther blieb standhaft: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen. Haltung bewahren – standhaft bleiben – bei seiner Überzeugung bleiben, sang der Chor.
Pfarrerin Esther Kuhn-Luz griff in ihrer Ansprache diesen Widerstand im Glauben auf und erzählte, dass viele Menschen in den letzten 500 Jahren von Luthers Mut gestärkt selbst mutig wurden.
Zum Beispiel Sophie Scholl. Nachdem sie mit ihrem Bruder Widerstandstexte gegen die Nazis in der Uni München verteilt hatte kam sie ins Gefängnis. Ihre Mutter besuchte sie und wusste: ihre Tochter war so mutig, weil ihr Glaube ihr die Kraft gegeben hatte, zu widerstehen. „Gell, Jesus“, sagte sie zu ihr. „Ja, Mutter, aber du auch.“
Dieser Mut zu widerstehen, wird erlernt – durch Eltern, Schule, Gemeinde, Freunde.
Es gibt in unserer Zeit manche, die die sich im Widerstand fühlen gegen die Anordnungen, die versuchen, die Pandemie in den Griff zu bekommen Es sind auch Menschen mit rechter Gesinnung dabei. Das tut dann richtig weh, wenn die sich in der Tradition von Sophie Scholll verstehen – sie missbräuchlich vereinnahmen – obwohl die Haltung von Sophie Scholl sich auch heute gegen rechts richten würde.
Was ist dein „Luthermoment?“ fragte Kuhn-Luz am Schluss der Predigt. Zivilcourage aus der Freiheit eines Christenmenschen – 500 Jahre später in Zeiten von Antisemitismus und Verschwörungsmythen ist das aktueller denn je.