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„„Maria Hochheim ist ein Juwel““, Veröffentlicht: Mittwoch, 31. August 2022, 1.02 Uhr

„Maria Hochheim ist ein Juwel“

„Maria Hochheim ist ein Juwel“, sagte bei einer Führung des Rottweiler Geschichts- und Altertumsvereins (GAV) am Sonntag der Historiker Dr. Andreas Linsenmann. Es lohne sich, die reiche Tradition des Ortes, der wieder ein spirituelles Zentrum sei, für künftige Generationen lebendig weiterzutragen.

„Die heutige Kapelle ist mindestens das vierte Gotteshaus an diesem Ort“, berichtete der Referent den rund 50 Interessierten. Linsenmann kommt aus Irslingen. Er hat als Bub auf Maria Hochheim ministriert, sich als Dozent am Historischen Seminar der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz aber auch wissenschaftlich mit dem Wallfahrtsort befasst und 2020 ein Buch über Maria Hochheim herausgegeben.

Schon lange werde vermutet, dass Maria Hochheim bereits zur Römerzeit für kultische Zwecke genutzt wurde, erklärte er. Belegen lasse sich das aber nicht. Denn bis auf wenige Scherben gebe es sowohl aus römischer Zeit wie aus dem Mittelalter keine Anhaltspunkte. Erst 1588 tauche Maria Hochheim in den Rottweiler Ratsprotokollen auf – dann freilich als schon lange etablierter Wallfahrtsort.

„Viel spricht dafür, dass es um das Jahr 1400 herum hier Wallfahrten gab“, legte der Referent dar. Er verwies unter anderem auf das Hochheimer Gnadenbild, einer Pietà. Diese stammt etwa aus dieser Zeit, wurde jedoch, wie auch ein zweites „Vesperbild“ vor 1971 entwendet – und ist bis heute spurlos verschwunden.

Nach einem Diebstahl seit über 50 Jahren verschwunden: Das alte Gnadenbild von Maria Hochheim. Foto: privat

1613 beschloss der Rottweiler Rat, die zu klein gewordene Gotteshaus von Maria Hochheim zu erweitern, führte Linsenmann weiter aus. Wenig später wurde das Kirchlein samt Mesnerhaus jedoch im Dreißigjährigen Kriegs zerstört. Der 1665 eingeweihte zweite Sakralbau sah dann die Glanzzeit des Wallfahrtsorts im Barock, in der sich einmal jährlich ganz Rottweil zur „Landeswallfahrt“ nach „Hauchen“ aufmachte. Linsenmann schilderte, mit welch großem Aufwand das geschah – sogar eine tragbare Orgel wurde manchmal mitgeführt.

Aus dieser Zeit, als Maria Hochheim ein viel frequentiertes geistliches Zentrum der Region mit wertvollen Kunstschätzen bildete, stammt wohl auch die Legende vom „Hauchemer Mesner“, erklärte der Historiker. Laut Volksmund hat dieser eines Tages weder aus noch ein gewusst, als seine Frau im Kindbett lag, gleichzeitig im Stall eine Kuh kalben wollte, seine Bienen am Schwärmen waren und schließlich aus drei Himmelsrichtungen noch Prozessionen auf „seine“ Kirche zuzogen.

In den 1750er Jahren wurde dann das dritte Kirchlein auf Maria Hochheim errichtet. Es war etwa so groß wie die Kirche auf dem Schömberger Palmbühl, erläuterte Linsenmann. „Dann kam durch die Umwälzungen infolge der Französischen Revolution mit dem Ende der Reichstadt-Selbständigkeit für Rottweil der große Bruch“, erklärte der Referent. 1805 befand die neue württembergische Obrigkeit die Wallfahrtskirche für „überflüssig“ und schloss sie.

„Aber die Leute kümmerten sich nicht darum“, berichtete Linsenmann und zitierte aus einer zeitgenössischen Quelle: Das Volk ströme „von allen Seiten an den abgestellten Feyertägen“ nach Maria Hochheim und bete dort „vor leerem Tabernakel den Rosenkranz und die Lauretanische Litanei“.

„Als identitätsstiftendes Stück Heimat“ würdigte der Referent Dr. Andreas Linsenmann (links) – hier mit dem GAV-Vorsitzenden Dr. Harald Sellner und Cornelia Votteler – Maria Hochheim. Foto: Regina Lino Roeßle

1846 schließlich wurde die dritte Kirche durch die heutige Kapelle ersetzt, die mehrfach renoviert und 2020 durch den Freundeskreis Maria Hochheim e.V. umfassend neu gestaltet wurde. Mittlerweile sei ein richtiger eigener Festkalender für den Ort entstanden, der wieder ein spirituelles Zentrum bilde und zahlreiche Gläubige anziehe.

Linsenmann unterstrich dass die reiche Tradition auf Maria Hochheim, zu dem unverzichtbar auch das Mesnerhaus gehöre, nie abgebrochen ist. Der Ort habe sich über wechselvolle Jahrhunderte erhalten und stelle seit Generationen ein identitätsstiftendes Stück Heimat dar.

 

 

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