ROTTWEIL – Wie jedes Jahr tagte am Dreikönigstag das hohe Narrengericht im Hotel Hirt, das fast aus allen Nähten platzte, so viele Leute wollten dabei sein. Dafür habe er einige Komplimente bekommen, freute sich Zunftmeister Rainer Schmeh, denn früher habe man nicht schon um vier kommen müssen, um noch einen Platz zu bekommen.
Prospekt der Woche
... zum Vergrößern und Durchblättern:Ein langer Tag wars, so Schmeh, für die Abstauber, denn die meisten waren schon um neun in der Kirche, um danach in Kleingruppen je vier bis fünf Häuser zu besuchen. Dank gab es für die Leute, die die Gruppen bekochten, denn ein Mittagessen in einem Lokal zu bekommen sei derzeit ja schwierig in Deißlingen. Und eine gesonderte Begrüßung hatte Schmeh für Bürgermeister Ralf Ulbrich übrig, erzwungenermaßen: Seine Abstaubergruppe hätte sonst bei Bürgermeisters nichts zu Essen und Trinken bekommen.
Die viel kritisierte Schmeh-Lastigkeit des Gerichts hatte Zunftmeister und Richter Rainer Schmeh etwas gemindert: Seine Nichte und Tochter von Staatsanwalt Elmar Schmeh, die hochschwangere Sibylle, habe man geopfert, sie habe jetzt den Namen ihres Mannes annehmen müssen. Angeklagt waren als erstes vier Damen: Catrin Glück, Nicole Maier, Iris Schmeisser und Marina Schmitt hatten beim Bürgerball so viele Federn von ihren Kostümen gelassen, dass die Putztruppe alle Hände voll zu tun hatte. Das stufte Richter Schmeh als Vandalismus ein und bediente sich bei Wikipedia: Auch eine mutwillige Verunreinigung sei so einzustufen.
Die Damen, sie saßen in ihren Boas vor Gericht und verteilten auch hier einige Federn, hatten zu ihrer Verteidigung (Anwälte sind hier nicht zugelassen) einen Abstauber-Federwisch mitgebracht, den hätten sie in der Baugrube der Schule gefunden, also sorge auch die Zunft für Müll, meinten sie. Ob da vielleicht auch gleich die Knochen des dazugehörigen Abstaubers gefunden werden würden, befürchtete Richter Schmeh, dann würde der Schulneubau wegen Grabungsarbeiten des Denkmalamts bis 2030 hinausgezögert, was Schultes Ulbrich entsetzte. Doch dann gab Ehrenzunftmeister Hubert Lissy zu, der Wisch sei seiner. Und Ulbrich wollte gleich Schadensersatzansprüche geltend machen, was das Gericht aber rigoros ablehnte. Es verurteilte die Damen milde, eine habe eben erst ein Kind zur Welt gebracht, die andere sei schwanger: Sie müssen das Ferienprogramm der Zunft mitgestalten, passenderweise unter dem Thema Federn.
Schließlich wurde der Schultes selbst in den Zeugenstand geholt, stellvertretend für seine Sekretärin Claudia Prim. Die nämlich hatte sich kurzfristig entschuldigt, war angeklagt, am letzten Dreikönigstag den Abstaubern zweimal nicht geöffnet zu haben, dafür wurde sie kräftig ausgebuht. Es entspann sich eine heiße Diskussion über Arbeitszeiten und Stress im Rathaus, schließlich wurde Ulbrich beauftragt, ihr das Urteil zu überbringen: Die Angeklagte muss im nächsten Jahr die Abstauber mit einem dreigängigen Menü bewirten. „Dafür wird sie dann wahrscheinlich fünf bis sechs Wochen Urlaub brauchen“, so Richter Schmeh. Er werde er den Lohnkostenersatz an die Narrenzunft weitergeben, konterte der Schultes.
Fabio Maier, Max Reger, Sven Ritzel und Manuel Schmeh mussten sich wegen unzähliger Nussschalen und Taschentüchern unter ihrem Tisch im Zentrum nach dem Boomstellen verteidigen, was ihnen nicht gelang, trotz Argumenten wie Nussallergie und Bibelzitat: „Ich wars nicht!“ Zur Strafe müssen sie beim Bürgerball die Bar in der Bierschwemme putzen. Nachts um drei, in Latzhosen und mit Eimern und Schrubbern bewaffnet.
Karin Aloia wiederum muss das Gericht bei einer Betriebsbegehung ihrer Reinigung bewirten, weil sie die Narrenfahne verkehrtherum aufgehängt hatte: Um sie von innen anschauen zu können, statt die Bürger zu erfreuen. Eine tolle Geschäftsidee, so der Richter, aber strafbar.
Der letzte Angeklagte war André Ernst, er hatte
bei einer Ausfahrt das Mundstück seines Instrument vergessen und so den
Musikerbuss lange aufgehalten. Es sei ihm am Vorabend geklaut worden,
argumentierte der in Sträflingskleidung angetretene Musiker, dessen
Kollegen das Gericht schließlich mit dem Gefangenenchor und dem
Narrenmarsch übertönten. Das nützte aber wenig, dann werde das umso
härtere Urteil dann eben beim Bürgerball verkündet, drohte Richter
Schmeh. Also erhielt Ernst seine Strafe: Er muss mit der Jugendkapelle
ein Rübengeisterlied einstudieren und es im Oktober beim ersten
Rübengeisterfest der Narrenzunft aufführen. Staatsanwalt Schmeh betonte,
Ernst habe sich allerhand weiterer Taten schuldig gemacht, nach einer
Ausfahrt ein falsches Narrenkleid mitgenommen und beim Auftritt beim
Bürgerball die Zunft beleidigt, „das ist ein sehr mildes Urteil trotz
frecher Gosch!“ so der Staatsanwalt. Die Musiker folgten dann der
Aufforderung des Richters: „Spielet, bis Euch d´Gosch weh tut!“