ROTTWEIL – Im Rahmen des DGB-Zukunftsdialogs arbeitet der Kreisverband Rottweil des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Thema Gesundheitsversorgung im Landkreis. In einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Kreisärzteschaft Dr. Jochen Scherler wurden verschiedene Themengebiete beleuchtet.
Zum stationären Bereich: Der Konzern Fresenius, zu dem der Helios-Konzern gehört, hat im letzten Jahr einen Zuschuss von einer Milliarde Euro wegen der Corona-Pandemie bekommen. Helios hat dabei einen Gewinnzuwachs von plus15 Prozenten erwirtschaftet. Hier steht für die DGB-ler die Frage im Raum, ob denn Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften müssen, um diese dann an Aktionäre zu verteilen. „Wichtig ist die Verschlüsselung, denn das bringt Geld, nicht so wichtig ist die Versorgung“, meint Jochen Scherler.
In der örtlichen Helios-Klinik gibt es enorme Besetzungsprobleme im Pflegebereich. Es wird davon geredet, dass im internistischen Bereich in Rottweil mehrere Arztstellen gestrichen werden sollen, was sicher auch Veränderungen in der Leitungsstruktur zur Folge haben wird.
Etwas anders sieht es im Krankenhaus Oberndorf (SRH) aus. Im gemeinnützigen Stiftungsunternehmen werden dort Gewinne reinvestiert in Bildung und Gesundheit.
Im Bereich niedergelassener Ärzte sind bei den Hausärzten im Kreis Rottweil derzeit 14,5 Stellen nicht besetzt. Dabei betreut eine mittelgroße Praxis pro Quartal 1500 Patienten, woraus sich ergibt, dass etwa 6000 Menschen im Landkreis nicht ordentlich versorgt sind. So finden beispielsweise Patienten keinen Hausarzt wegen deren zeitlicher Überlastung.
Hausbesuche lohnen sich für Hausärzte unter dem Geldaspekt nicht. Dies wird auch mit dem Satz von Jochen Scherler deutlich gemacht: „Die sprechende Medizin ist unterbezahlt“. Jede Fachgruppe versucht ihre Pfründe zu sichern, was eine breite Grundversorgung erschwert.
Ebenfalls zur Sprache kam die Situation der Hebammen. Dieser Beruf werde in der bisherigen Art im Prinzip aussterben. Das zu tragende Risiko ist zu hoch.
Im Bereich der Arzthelferinnen liegen die Probleme neben einer geringen Bezahlung in den ungünstigen Arbeitszeiten, sie sind oft „der Blitzableiter“ beim Frust von Patienten und medizinische Hilfsberufe haben kaum Aufstiegschancen oder Aussichten darauf.
Am Ende ging es im Gespräch auch noch um die Situation bei der Pandemie. „In Pflegeheimen sind circa 30 Prozent durch Covid gestorben, das war ein Versagen, und es erfolgt kein Aufschrei“. Auch Personal sei erkrankt, dies habe die Situation zusätzlich erschwert, die Arbeitsbelastung sei so schon sehr hoch. Und trotz schlechter Bezahlung der Pflegekräfte werde eine liebevolle, aufopfernde Betreuung geleistet, was mehr Anerkennung verdient hätte.
Und zur Gesamtsituation: „Viel Zeit wurde verschlafen, viel zu spät gab es dann Schnelltests. Katastrophal sei es aber nie gewesen. In Rottweil wären 2000 Impfungen pro Tag möglich, sofern Impfstoff da wäre. Damit hätten hier die Menschen in gut zwei bis drei Monaten durchgeimpft werden können,” so Jochen Scherler.
Der DGB wird sich weitere Gedanken machen, wie hier im Landkreis Verbesserungen für Beschäftigte und Patienten im Gesundheitsbereich zustande gebracht werden können.