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„Dunningen: Ein Dorf im Krisenmodus“, Veröffentlicht: Dienstag, 1. September 2020, 17.13 Uhr

Dunningen: Ein Dorf im Krisenmodus

„Erfahren, wo der Schuh drückt.“ Das wollte der FDP Landtagsabgeordnete Daniel Karrais bei einem Besuch in Dunningen. Zunächst im Rathaus und später in der Eschachschule erfuhr der Abgeordnete von Bürgermeister Peter Schuhmacher und   Schulleiterin Katharina Hirt von zahlreichen „Druckstellen“, die auch von der Corona-Pandemie herrührten.

Zum Gespräch hatte Schumacher auch den Lackendorfer Ortsvorsteher Hermann Hirt und seinen Stellvertreter Rainer Pfaller aus Seedorf eingeladen. Kritisch merkten die Kommunalpolitiker an, dass während der Hochphase der Pandemie die neuen Verordnungen oft „auf den letzten Drücker“ in den Rathäusern angekommen  und „mit heißer Nadel gestrickt“ waren.

Bürgermeister Peter Schumacher.

Auch für die Umsetzung des  eingeschränkten Regelbetriebs an den Schulen habe die Kultusministerin Susanne Eisenmann den Schulen zu wenig Zeit zur Vorbereitung gelassen kritisierte Schumacher. „Dafür gab es dann auch heftige Kritik im Landtag“, berichtete Karrais.

Die Wirtschaft floriert

Erstaunlich gut weggekommen seien die Dunninger Betriebe. Nehme man die Gewerbesteuer als Maß, so habe die Gemeinde 3,5 Millionen Gewerbesteuereinnahmen eingeplant – und werde nun wohl 4,5 Millionen Euro einnehmen.

Der Dunninger Wirtschaft geht es trotz Corona gut: Hier Junghans Microtec in Seedorf

Schumacher führt das unter anderem darauf zurück, dass der Automotive-Bereich bei den großen Gewerbesteuerzahlern in Dunningen kaum eine Rolle spiele. Die Dunninger Gewerbetreibenden seien „zuversichtlich“. Dennoch werde man beim Aufstellen des Haushaltsplans vorsichtig sein.

Der Neubau der Eschachschule.

Digitalisierungsschub „dank“ Corona

Nach einem kurzen Spaziergang begrüßten Schulleiterin Katharina Hirt und Digitalfachmann Markus Holl von der Eschachschule den Abgeordneten und die Rathausvertreter. Die Soforthilfe für die Digitalisierung und die Anschaffung von Tabletts sei zwar gut, man müsse aber auch die Folgekosten etwa für zusätzliches Personal bedenken, forderte Schumacher.

Die Städte und Gemeinden müssten sich beim Thema Glasfaser aber auch an die eigene Nase fassen: Der Kreis habe inzwischen alle Schulen mit Glasfaserversorgt, aber die Kommunen würden teilweise die nun möglichen schnellen Leitungen gar nicht bestellen. Ortsvorsteher Hirt meinte: „Hardware vorhanden, Software fehlt und die erforderliche Schulplattform ebenfalls.“

Daniel Karrais informiert sich in einem der beiden großen Lernateliers der Schule.

Ein Manko, das auch die Schulleiterin und  IT-Fachmann Holl ein ums andere Mal beklagten. Sei es, dass es um gesicherte Kommunikation der Lehrkräfte untereinander oder mit den Schülern beim Homeschooling oder um digitale Lehrbücher ging. Sei es, dass virtuelle Konferenzen und Unterrichte auf eine solche Plattform zurückgreifen können sollten.

Nicht alles, was geht, ist auch erlaubt

An einigen Punkten ist auch der Datenschutz problematisch: Wenn nun das Land auf eine Microsoft-Lösung für die Schulplattform setze, kritisiert Karrais, dass dabei Daten „irgendwo“ landen könnten. „Bei Minderjährigen ist das schon EU-rechtlich nicht zulässig.“

Holl hatte ein anderes Beispiel: Dabei wurden die verschiedenen Konferenztools wie Zoom oder Team zunächst  empfohlen, dann wieder verworfen. Dazu bedauerte Karrais, dass das Kultusministerium den Datenschutzbeauftragten des Landes nicht vorab konsultiert habe.

Erst Lesen und Schreiben lernen

In einem Klassenzimmer zeigte Holl  der Besuchergruppe die moderne Ausstattung mit Whiteboards. „Kreide und Schwamm haben ausgedient.“ Was der Lehrer auf dem Whiteboard notiere, könnte er auch auf die Tabletts der Schüler übertragen. Aber auch Schülerlösungen ließen sich allen Kindern in der Klasse zeigen.

Schulleiterin Hirt legte Wert darauf, dass die Kinder zunächst die klassischen Kulturtechniken Lesen und Schreiben beherrschen müssten. „Deshalb setzen wir das erst ab Klasse acht ein.“ Andererseits lebten die Jugendlichen heute „in einer ganz anderen Wirklichkeit als vor 30 Jahren“. Darauf müsse die Schule mit anderen Methoden und Medien reagieren.

Erfolgreiche Gemeinschaftsschule

Schulleiterin Katharina Hirt. Fotos: him

Auch bei der Schulform hat sich Dunningen auf die neue Zeit eingestellt. Als einer der großen Schulstandorte im Kreis habe man sich schon sehr früh für die Gemeinschaftsschule entschieden „und aufs richtige Pferd gesetzt“, erinnerte Bürgermeister Schumacher. Inzwischen habe man einen „Durchgang“ erlebt und sei sehr zufrieden.

Schulleiterin Hirt betonte, dass dank des früheren Schulverbunds von Haupt- und Realschule die Voraussetzungen gut waren. Wegen des ländlichen Raums habe man auch eine heterogene Schülerschaft, die für eine Gemeinschaftsschule wichtig sei. Der neue Schulbau für sechs Millionen Euro sei schon für die Gemeinschaftsschule konzipiert worden: Neben den Klassenzimmern verfügt die Schule über zwei große Lernateliers mit Einzelarbeitsplätzen, Gruppen- und Coaching-Räumen.

Coronabilanz durchwachsen

Karrais wollte erfahren, wie die Schule bisher durch die Corona-Zeit gekommen sei. Das Homeschooling habe bei etwa zwei Dritteln der Schüler gut geklappt, berichtete Hirt. Bei den anderen sei es schwieriger gewesen. Mal waren die Kinder und Jugendlichen nicht erreichbar, dann fehlten die technischen Geräte wie PC oder Laptop. Holl wunderte sich: „In vielen Familien gibt es heute keine Drucker mehr, das war uns anfangs gar nicht klar.“ Die Lehrerinnen und Lehrer hätten deshalb ihre Arbeitsvorlagen ändern müssen.

Die Lerndefizite schätzt Hirt nicht allzu dramatisch ein. Man werde sich im nächsten Schuljahr auf das Kerncurriculum konzentrieren, um mögliche Lücken auszugleichen. Gut 60 Schüler, die während der Pandemie Schwierigkeiten hatten, selbstständig zu lernen, habe man angeschrieben und angerufen und zu Nachholunterricht  jetzt in den Sommerferien eingeladen. „25 Prozent haben sich angemeldet und sind da.“

Corona-Ungewissheiten

Die Schulleiterin macht auf die vielen Unbekannten in zwei Wochen aufmerksam: „Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ Welche Schulveranstaltungen sind möglich, finden Schullandheimaufenthalte statt, können die Betriebe zur Berufsinformation ins Haus kommen, wie wird das mit der Maskenpflicht genau sein?

Aber das wichtigste sei, dass wieder alle kommen können. „Schüler brauchen die Gemeinschaft.“ Quarantäne für einzelne Klassen oder gar eine erneute Schulschließung wäre deshalb auch der „worst case“, waren sich alle einig.

Das Rathaus in Dunningen.

Karrais dankte für die Informationen, es sei sein erster Besuch in einer Gemeinschaftsschule gewesen und er habe viel gelernt. Dass er sein neu erworbenes Wissen anwenden wird, ist sicher. „Die Opposition ist dazu da, den Finger in die Wunde zu legen.“

 

 

 

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