KREIS ROTTWEIL – In drei Buchstaben verpackte Franz Müntefering, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), seine zum Schmunzeln anregende Gratulations-Botschaft an den Kreisseniorenrat Rottweil zu dessen 25-jährigem Bestehen. Mit drei großen L skizzierte er Grundvoraussetzungen für ein gesundes und selbstbestimmtes langes Leben: Laufen, Lernen beziehungsweise Lehren und Lachen.
Nach der musikalischen Einstimmung auf den Festakt durch die Leiterin der Musikschule Rottweil, Gabriele Hammen, am Klavier und die 14-jährige Querflötenspielerin Nina Speckhardt begrüßte Matthias Kohlhase, Vorsitzender des Kreisseniorenrats Rottweil, im Jugendstilsaal des Vinzenz von Paul Hospitals in Rottweil die Festgäste. Der „leichten Schweiß“ auf seiner Stirne rühre davon her, dass Festredner Franz Müntefering noch im Zug auf der Strecke nach Rottweil feststecke.
Mit Blick auf das Gründungsjahr 1994 erinnerte Kohlhase an die Rockhymne „Wind of Change“ von den Scorpions, die damals die Zeit des Auf- und Umbruchs getroffen habe. Eine solche Aufbruchstimmung herrsche auch jetzt wieder. Der Kreisseniorenrat trage den wachsenden Herausforderungen unter anderem mit der Gründung von Projektgruppen beispielsweise zu den Themen „Internet“, „Kreisseniorenplan“, „Pflegenotstand“, „Kontakt zu den Kommunen“, „Alter, Gesundheit, Bewegung“ Rechnung. Er sah den Kreisseniorenrat auch als Brückenbauer zwischen den Generationen, zwischen jung und alt. Rainer Pfautsch, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Vinzenz von Paul Hospital, stellte das psychiatrisch-neurologische „Kompetenzzentrum“ mit seinen derzeit 1400 Mitarbeitern vor und verwies auf das neue Zentrum für Altersmedizin, „ein Meilenstein“ in der Weiterentwicklung der Klinik.
Landrat Wolf-Rüdiger Michel lobte den Kreisseniorenrat Rottweil, der seit 1994 mit guter Kompetenz und Durchschlagskraft für die Interessen der Senioren gekämpft habe. Die Senioren seien heutzutage fitter sowie munterer und brächten sich verstärkt mit ihrer Lebenserfahrung ein. Sie seien mit ihrem ehrenamtlichen Engagement ein Vorbild für die jüngere Generation. Michel würdigte die herausragenden Persönlichkeiten, welche die Geschichte des Kreisseniorenrats geprägt hätten: Seinen Vorgänger Manfred Autenrieth als „Gründungspaten“, die erste Vorsitzende Ursula Plake, Franz Sauter, der von 1999 bis 2009 den Kreisseniorenrat geführt habe, Winfried Halusa, Vorsitzender von 2009 bis 2018, sowie Egon Kalbacher, Vorsitzender 2018/19, der aus gesundheitlichen Gründen den Stab an Matthias Kohlhase weitergegeben habe.
Uwe Bähr, Vorsitzender des Landesseniorenrats, erinnerte daran, dass es im Gründungsjahr 1994 noch keine Pflegeversicherung gegeben habe, und zollte dem Kreisseniorenrat Rottweil großen Respekt für dessen Arbeit und Einsatz. Der demografische Wandel bedeute neue Herausforderungen beispielsweise in der Medizin und in der Pflege. Bähr bedauerte, dass die CDU-Landtagsfraktion die vom Landesseniorenrat geforderte Aufnahme der Bildung von Orts- und Stadtseniorenräten als Pflichtaufgabe in die Gemeindeordnung nicht befürworte. Der Kreisseniorenrat sei gut vernetzt, meinte Bähr, und verwies auf Sauter und Kalbacher, die sich im Vorstand des Landesseniorenrats eingebracht hätten beziehungsweise noch einbrächten.

Franz Müntefering, Sauerländer und 79 Jahre alt, bewies einmal mehr, dass er ein Freund klarer Worte und flotter Sprüche ist. „Das Lebensalter sagt wenig darüber aus, ob einer recht hat oder nicht“, betonte er und appellierte an die „vernünftigen Alten, Jungen und die dazwischen“, sich zu engagieren und einzumischen, damit nicht „die Bekloppten“ plötzlich das Sagen hätten. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Hochbetagten exorbitant steige und damit zwangsläufig die Zahl der pflegebedürftigen Senioren ebenfalls zunehme, sei es wichtig, dass die Wertschätzung und die Bezahlung in den Pflegeberufen besser werde. „Wenn in der Pflege, in den Kindertagesstätten und -gärten sowie in den Grundschulen mehr Männer arbeiten würden, wären diese Berufe auch besser bezahlt“, war sich Müntefering sicher.
Aus seiner Sicht sind die Kommunen spielentscheidend dafür, ob es gelinge, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern. „Jede Gemeinde ist ein Unikat.“ Die Kommunen müssten von den Ländern und vom Bund so ausgestattet werden, dass sie imstande seien, bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Dazu zählte der Sozialexperte unter anderem die spezielle ambulante palliative Versorgung, der Umgang mit Demenz – „75 Prozent der dementen Menschen sind an Alzheimer erkrankt, 25 Prozent aber nicht, und die können behandelt werden.“ – und die Probleme durch die starke Zunahme der Ein-Personen-Haushalte, wodurch sich die Gefahr der Vereinsamung erhöhe. Hier sah Müntefering vor allem aber die Gesellschaft, die Menschen selbst in der Verantwortung, um der Vereinsamung von alten Menschen entgegenzuwirken.
Müntefering verriet sein Rezept, auch im Alter möglichst lange fit und gesund zu bleiben: „L L L – Laufen – Lernen – Lachen. Bewegung der Beine ernährt das Gehirn, es können auch die Arme sein.“ Am besten sei es, sich in Gesellschaft zu bewegen und so soziale Kontakte zu pflegen. Genauso wichtig sei es, neugierig zu bleiben. Da gebe es noch so viel, was man vor dem 100. noch erlebt haben müsse. Dazu gehöre auch, etwas aus seinem reichen Erfahrungsschatz an die jüngere Generation weiterzugeben. Lachen heiße, das Leben zu lieben sowie seine Lebensgeschichte wie die anderer Menschen zu respektieren „Wir müssen Respekt haben vor dem Leben des einzelnen und sich Zeit nehmen, diese anzuhören.“ Der starke und lang anhaltende Beifall zeigte, dass Müntefering mit seiner humorvollen Art des Vortrags und seinen Aussagen den Nerv der Zuhörer getroffen hatte.