Aichhaldens Bürgermeister Michael Lehrer, Rebekka und Johannes Heß, Isabelle Glasneck, stellvertretende Amtsleiterin im Landwirtschaftsamt und Irene Günzler, im Landwirtschaftsamt für Verbraucherbildung und Ernährung zuständig. Foto: him
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Kreis Rottweil. Die meisten von uns kennen es gut: Putenschnitzel oder Putenwurst. Das Putenfleisch gilt als gesündere Alternative zu Schweinefleisch. Doch wie werden Puten gehalten, gemästet und schließlich geschlachtet? Das Landwirtschaftsamt Rottweil möchte den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen und lädt im Rahmen der „Gläsernen Produktion“ in einen besonderen Betrieb: Die “Schwarzwaldfarm” in Rötenberg.








„Wir wollen zeigen, wie ‚vor der Haustüre‘ produziert wird“, sagt Irene Günzler, die für das Landwirtschaftsamt den “Tag der Gläsernen Produktion” organisiert. „Also vom Acker bis zum Teller.“

Am Rande von Aichhalden-Rötenberg genießt auf der Schwarzwaldfarm gerade eine Herde Truthähne Frischluft und das schöne Wetter. Hier betreiben Rebekka und Johannes Heß im Nebenerwerb ihre Landwirtschaft mit Putenhaltung und Ackerbau.

Lange Tradition

Die beiden haben die Putenhaltung von Manfred Heß übernommen der seit 1999 Puten gezüchtet hat. Sie haben die Putenhaltung in den letzten Jahren ausgebaut und vermarkten das Fleisch der Puten ohne Zwischenhändler direkt ab Hof an die Kunden. Der Vorteil: „Lange Transportwege entfallen“, so Günzler. Das sei umweltfreundlich, klimaschonend und nicht zuletzt tierfreundlicher, weil der Stress langer Transporte entfällt.

Mit Unterstützung der EU, des Bundes und des Landes haben die Eheleute 2021 einen neuen Stall mit Weidezugang gebaut. Für die Direktvermarktung haben sie direkt daneben ein eigenes Schlachthaus mit Verkaufsraum errichtet.

Ein halbes Jahr Mast

Auf die Schwarzwaldfarm kommen die Putenhähne, wenn sie sechs Wochen alt sind. Im „Endmaststall“ bleiben sie bis zum Alter von 26 Wochen und werden dann direkt auf dem Hof geschlachtet, ausgenommen und verarbeitet.

Der Stall ist für eine artgerechte Bodenhaltung gestaltet. Das Dach ist gedämmt, eine Wand kann geöffnet werden, und die derzeit 600 Tiere haben Auslauf ins Freie und können sich auf der 5000 Quadratmeter großen Weide beschäftigen. „Wir achten drauf, dass sie auch rausgehen“, so Heß. Jetzt in Sommer ist das eher morgens und abends, wenn es noch kühler ist, der Fall „Die Hitze mögen sie nicht so.“

Bleiben bei der Sommerhitze lieber im Stall. Foto: him

Mit moderner Technik kann Johannes Heß Luftaustausch, Licht, Temperatur sowie Futter- und Trinkwasserverbrauch überwachen.

Auf den Stallboden kommt regelmäßig frisches Stroh. In einigen Wannen ist Sand, damit die Tiere ihre „Staubbäder“ nehmen können. Ein paar Strohballen liegen bereit, damit die Tiere drauf klettern können. Sie haben jederzeit Zugang zu frischem Trinkwasser und zum Futter.

Angepasst an die Entwicklungsphasen stellt Heß das Futter aus pelletiertem Putenmastkorn und regionalem Getreide wie Weizen, Erbsen und Gerste zusammen. Einen Teil davon baut der Landwirt in Rötenberg selbst an. „Wir spritzen unser Getreide nicht und verwenden als Dünger den Putenkot oder Rinderdung eines befreundeten Landwirts.“ Wenn nach einem halben Jahr das Schlachtgewicht der Tiere erreicht ist, bringen sie etwa 23 Kilo auf die Waage.

Futtergetreide kommt vom Feld direkt neben der Schwarzwaldfarm. Foto: him

Artgerechte Haltung

„Uns ist wichtig, die Tiere artgerecht zu halten und möglichst stressfrei zu schlachten“, so Johannes Heß. Da Puten eine höchst anspruchsvolle Tierart sind, kontrolliert er seine Tiere mindestens zwei Mal täglich und achtet auf ihr Wohlergehen, Erscheinungsbild und das Verhalten der Tiere. „Ich habe viel von meinem Vater gelernt“, erzählt Johannes Hess, „für das Schlachten musste ich einen Sachkundenachweis erbringen und vor dem Bau des Stalles habe ich einen Lehrgang Geflügelmast besucht.“

Die Putenmast sei in Baden-Württemberg eher im Hohenlohischen beheimatet, berichtet Isabelle Glasneck, die stellvertretende Amtsleiterin des Landwirtschaftsamts. Im Kreis Rottweil gebe es nur zwölf Betriebe – und die Schwarzwaldfarm ist der größte. Etwa die Hälfte des hier verbrauchten Putenfleisches stamme aus Deutschland.

Im Vergleich zu anderen Fleischarten in Deutschland steigt die Nachfrage nach Geflügelfleisch weiter an. Etwa 13 Kilo Geflügelfleisch isst der Durchschnitts-Deutsche jährlich, etwa ein Viertel davon entfallen auf Putenfleisch. Mit nur sieben Prozent Fettanteil liefert die Pute ein sehr mageres, kalorienarmes Fleisch mit hochwertigem Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen, so das Landwirtschaftsamt.

“Transparenz ist uns wichtig”

Beim Bau des neuen Stalles haben die Eheleute große Fenster an einem Raum eingebaut, den Besucher von außen betreten können. „Die Besucherfenster waren mir wichtig“, sagt Rebekka Heß. So können die Kunden sehen, wie die Tiere gehalten werden und sehen, dass es den Tieren gut geht. Das werde gut angenommen, hat sie beobachtet.

Beim Tag der Gläsernen Produktion werden die Besucherinnen und Besucher auch einen Blick in das neue Schlachthaus werfen können. Auch hier hat Johannes Heß darauf geachtet, dass dieser letzte Weg möglichst stressarm für die Tiere verläuft. Sie kommen direkt vom Stall über den Hof in den Schlachtraum.

Zwei Mal im Jahr wird dann geschlachtet – und direkt ab Hof das Putenfleisch verkauft. Bürgermeister Michael Lehrer, selbst Kunde, lobt, dass die Familie zum Putenfleisch auch Hinweise zur Verarbeitung und Rezepte mitgibt. „Wir versuchen möglichst alles zu verwerten“, so Heß. Auch das gehöre zur Nachhaltigkeit und zeige „die Achtung vor dem Tier“, so Lehrer.

Die Schwarzwaldfarm: Im Vordergrund das Schlachtgebäude mit Verkaufsraum, im Hintergrund der große Offenstall. Foto: him

Info: Die Gläserne Produktion ist eine gemeinsame Aktion der Familie Heß, des Landwirtschaftsamtes Rottweil und der Gemeinde Aichhalden. Im Rahmen der Landesaktion „Gläserne Produktion“ haben Verbraucherinnen und Verbraucher die Chance, einen Blick hinter die Kulissen landwirtschaftlicher Betriebe zu werfen und zu erfahren, wie die heimischen Lebensmittel vor der Haustüre produziert werden.

Die Infos zum Programm gibt es unter: https://rottweil.landwirtschaft-bw.de und www. Schwarzwaldfarm.de.
Am 2. Juli lädt die Familie zur „Gläsernen Produktion“ auf die Schwarzwaldfarm ein.

Der Tag der offenen Tür beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst. Nach Grußworten von Landrat Dr. Wolf- Rüdiger Michel und Bürgermeister Michael Lehrer öffnet Johannes Heß im Rahmen der Landesaktion „Gläserne Produktion“ die Türen des Landwirtschaftsbetriebs. Der CVJM, Christlicher Verein Junger Menschen, bietet ab 11.30 Uhr für Hungrige Schnitzelwecken und Schwarzwaldfarm-Burger an, zubereitet aus dem Putenfleisch des Betriebes. Für die Kinder steht an diesem Tag eine Hüpfburg bereit.

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