Unionsfraktionschef Volker Kauder hält Bundeskanzlerin Angela Merkel die Treue. Bei einer gut besuchten Wahlkreisveranstaltung sagte der CDU-Bundespolitiker in Bezug auf die Rolle Merkels in der Flüchtlingskrise: „Sie hat die Ehre Europas gerettet.“ Kauders Publikum lauschte schweigend, „mucksmäuschenstill“, wie der parteieigene Schreiber notierte.
Es sei eine Stunde der Basis, der Kommunikation und der Information gewesen, heißt es über den Abend seitens der örtlichen CDU. „Wenn ich über ‚Hartz IV und dessen Folgen‘ reden würde, kämen vielleicht zehn Personen“, sinniert der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder zu Beginn der Konferenz der beiden CDU-Kreisverbände Rottweil und Tuttlingen im Hotel Hirt in Deißlingen.
Doch es geht um das beherrschende Thema dieser Zeit, um die wohl größte Herausforderung seit Jahrzehnten, die Flüchtlingskrise: Und da mussten sämtliche Trennwände beseitigt und die Türen hinaus ins Lokal geöffnet werden. Weil das Thema bewegt.
Die Mitglieder der CDU sowie Gäste wollten wissen, was los ist und wie es weitergeht mit den Flüchtlingen und Asylbewerbern. Von Volker Kauder, der in Berlin ganz vorne mit dabei ist bei der Bewältigung dieser Ströme, der sich auskennt wie wenige andere: sowohl in den Krisenregionen durch seine zahlreichen Besuche und Gespräche als auch an der viel beschworenen Basis. „Ihm kann in der Tat keiner was vormachen“, notiert der CDU-Bericht.
In der von den beiden CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Teufel und Maria-Lena Weiss moderierten Veranstaltung legte Volker Kauder das ihm hingereichte Mikrofon gleich mal zur Seite: „Ich habe eine so starke Stimme …“ So beschrieb er dann die Situation, in der Dramatik, in der sie sich ihm darstellt, auch mit dem Hinweis, dass er im Sommer bei einer Griechenland-Sondersitzung im Deutschen Bundestag darauf hingewiesen hat: „Wir müssen möglicherweise mit einer noch viel größeren Herausforderung rechnen als dies Griechenland für uns ist“, und die FAZ daraufhin von einer Ablenkung sprach. Seine Besuche und seine Erlebnisse und Eindrücke in den Krisenregionen wie Erbil und Mosul, seine Begegnung mit dem jordanischen König Abdullah etwa hätten ihm deutlich gemacht, was da auf Europa und letztlich auf Deutschland zukommen würde.
Kauder räumte mit manchen so gerne vorgebrachten Mythen auf, als sei die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang September, die in Ungarn unter unerträglichen Zuständen gehaltenen Flüchtlinge durchzulassen, der Grund für alles, was danach geschah. „Sie hat die Ehre Europas gerettet“, rief er in den Saal, in dem die etwa 200 Teilnehmer mucksmäuschenstill zuhörten. Kauder sprach auch von den Bemühungen, zu schnelleren Entscheidungen zu kommen, Flüchtlinge mit und ohne Bleibeperspektive in Transitzonen aufzuteilen. Und an der Stelle mit der einzigen Attacke auf den Koalitionspartner: „Die Sozis reden Schmarren, wenn sie von Gefängnissen reden.“
Was zu spüren gewesen sei, so der Bericht über die Veranstaltung: die ganz vielen einzelnen Schritte, die notwendig sind, damit die Flüchtlingswellen erst gar nicht in Bewegung kommen. „Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass die Grünen dabei mitmachen würden, den gesamten westlichen Balkan zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären?“

Von einer „Sternstunde der CDU in der Region“ sprach nach der Veranstaltung die Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Vöhringen/Wittershausen, Andrea Kopp. Auch weil dies die Stunde der Information gewesen sei und gleichzeitig die der sehr offenen Aussprache und des Dialogs mit dem prominenten Politiker, der gleichzeitig seine Verankerung in seinem Wahlkreis ungebrochen hält.
Bemerkenswert: die Stellungnahmen der (Ober-)Bürgermeister von Tuttlingen, Immendingen und Hardt. Mit klaren Bekenntnissen zu einem „wir schaffen das“ auf ihrer Ebene. Denn dort wo auf der kommunalen Ebene diese Zeichen gesetzt werden, sei die Stimmung eine andere als wenn die kommunalen Mandatsträger in Defätismus verfallen.
Es wurden aber auch Stimmen laut in der Diskussion, die Besorgnisse anklingen ließen, egal ob es um die Erhaltung der Werteordnung geht oder darum, „dass man nicht alles sagen darf, weil man sonst gleich in die rechte Ecke gestellt wird.“ Das ließ die CDU offenbar unwidersprochen stehen. Denn: Es sollte und es konnte an diesem Abend jeder seine Meinung sagen: seine Kritik, seine Sorgen, seine Unterstützung der Politik von Angela Merkel und von Volker Kauder. Und seine Zweifel. Auch die Frau, die drei Fluchten hinter sich hatte und die etwas ausführlich darüber berichtete. Woraufhin Volker Kauder den ob der Länge aufgekommenen leisen Unmut konterte: „Es darf hier jeder das sagen, was er will. Und wir lassen alle aussprechen.“
Es sei zu spüren gewesen wie selten einmal, welch dramatische Lage von der Politik zu bewältigen ist, aber auch von allen, die Verantwortung tragen in den Gemeinden, überhaupt von jedem. Und nicht zuletzt die Bemerkungen des Unionsfraktionschef zum Zustand von Europa, „dieser Werte- und Schicksalsgemeinschaft“ und seinen Besorgnissen zeigten die Berechtigung, von einer noch nie da gewesenen Herausforderung zu sprechen.
„Wie aber wären die Menschen nach Hause gegangen, wenn Volker Kauder und die Verantwortlichen in der CDU Mutlosigkeit gepredigt hätten in eine unsichere Stimmungslage hinein?“, fragt der CDU-Bericht über die Veranstaltung rhetorisch.
Viele nachdenkliche Zwischentöne und Bemerkungen von Volker Kauder, der mit seiner Erfahrung in der Politik und als einer der wichtigsten Funktionsträger in Berlin Zusammenhänge erläuterte, die manchen die Augen aufgehen ließen: „Da hat der Friedensnobelpreisträger Obama nicht schnell genug die Truppen abziehen können aus Afghanistan, und nun sehen wir das Ergebnis …, die Flüchtlinge aus eben diesem Land nehmen zu.“
Es sei ein denkwürdiger Abend gewesen, der von der so unsicheren Zukunft Europas bis zu den Herausforderungen in jeder noch so kleinen Gemeinde nahezu alles enthielt, was mit einem Thema zu tun hat. Ganz vorne mit dabei der gesellschaftliche Frieden, eine Geisteshaltung, der Anstand als Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses – bis hin zu der ganz profanen, aber ebenfalls wichtigen Erkenntnis von Volker Kauder, dass es möglich ist, Bauvorschriften ganz kurzfristig zu verändern: „Und die Welt bricht nicht zusammen.“