KREIS ROTTWEIL – Bei der Corona-Projektgruppe des Kreisseniorenrats Rottweil sitzt der Frust über das Impfchaos hinsichtlich der Terminvergabe tief. Dafür nimmt das Modellprojekt „Kultur online – das virtuelle Café“ an Fahrt auf.
Wie der Vorsitzende der Projektgruppe, Dieter Gaus, sowie die KSR-Geschäftsstellenleiterin Regina Steimer bei der vergangenen virtuellen Sitzung darlegten, werden mehrere KSR-Vorstands- und Ausschussmitglieder an einer Online-Schulung für das Videokonferenz-Tool „Zoom“ teilnehmen, um so das nötige Rüstzeug für die Entwicklung eines speziellen virtuellen Cafés für Senioren zu erlangen.
Alicja Garcia Bernal, Familienbildungsreferentin beim Katholischen Bildungswerk, wird die Zoom-Schulung leiten. Nadja King, die Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses Kapuziner, habe zugesagt, das Projekt zu unterstützen, erklärte Gaus. Die Mitglieder der Projektgruppe waren sich einig, Nadja King zur nächsten Sitzung einzuladen, um mit ihr konkretisieren zu können, wie die Unterstützung aussehen könne.
Die Projektgruppe sieht in dem virtuellen Café eine gute Möglichkeit und ein Mittel, der Vereinsamung von Senioren entgegenzuwirken. „Die gesundheitlichen Risiken bei Einsamkeit sind laut der Fachzeitschrift „Psychologie heute“, Ausgabe 04/21, höher als bei Rauchen und Übergewicht“, unterstrich Gaus.
So ging Gaus explizit auf das Thema „Psychosoziale Aspekte der Coronakrise“ ein, das bei der letzten Sitzung der Liga der freien Wohlfahrtspflege diskutiert worden war. Die Wohlfahrtsverbände hätten auf eine Zunahme psychischer Probleme in der Bevölkerung verwiesen, die dazu noch mit einer subjektiv betrachteten gesunkenen Lebensqualität einhergingen. Vor allem im ländlichen Raum machten sich die Zugangsnachteile im digitalen Bereich bemerkbar.
„Die negativen Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen sind bei jungen Menschen besorgniserregend: Selbstverständlichkeiten, Entwicklungsanreize wie Schulveranstaltungen, Treffen mit Freunden, Aktivitäten in Vereinen, in bekräftigte Gaus. Bei allen Bevölkerungsgruppen würden nach einem Jahr Pandemie Erschöpfung, Müdigkeit, Ängste, Sorgen, Aggression und Konflikte deutlich. So kritisierte die Projektgruppe, dass das Land in seinen Corona-Lageberichten überhaupt nicht auf die psychosoziale Situation der
Bevölkerung eingehe, sondern ausschließlich auf Inzidenzzahlen, R-Werte, positive Tests, Impffortschritt fokussiert sei.
Gaus stellte fest, dass folgende Personengruppen im Landkreis einer besonderen Belastung ausgesetzt seien: Menschen mit psychosozialen und gesundheitlichen Vorbelastungen, Eltern, Kinder, Jugendliche, pflege- und therapiebedürftige Menschen mit Angehörigen, Gastronomen, Kunst- und Kulturschaffende, Lehrkräfte, ErzieherInnen, Auszubildende, Studierende, Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Die Mitglieder der Projektgruppe forderten daher „eine neue Politik für ältere Menschen. Innovative Konzepte, kommunale Strategien und Orientierungshilfen sind nunmehr gefragt“.
Eine zukunftsorientierte Seniorenpolitik erfordere die Zusammenarbeit sämtlicher Akteure insbesondere der Orts-und
Kreisseniorenräte. Aus Sicht des Kreisseniorenrats ist es daher unabdingbar, dass gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie die Vertretungsorganisationen der Senioren miteinbezogen werden.
Zufrieden äußerten sich die Mitglieder der Projektgruppe Dieter Gaus, Matthias Kohlhase, Vorsitzender des Kreisseniorenrats, sowie Peter Wolf, KSRVorstandsmitglied, darüber, dass nun auch die Hausärzte impfen dürfen. Damit setze die Politik endlich das um, was Seniorenräte schon seit Monaten forderten. Allerdings habe auch der kürzliche Impfgipfel des Landes gezeigt, dass die Interessenvertretungen der Betroffenen von der Politik kaum gehört würden.
Erst auf die Kritik verschiedener Parteien und Institutionen hin sei der Landesseniorenrat nachträglich dazu eingeladen worden. Ein Trauerspiel sei nach wie vor die Terminvergabe, betonte Kohlhase. Wolf zitierte die Äußerung eines Impfarztes eines Impfzentrums: „Ja, bei uns läuft es reibungslos. Die Terminvergabe ist aber eine Katastrophe.“ Aus Sicht des Kreisseniorenrats müsse die Impfstrategie des Landes breit mit Impfzentren, mobilen Impfteams, Impfangeboten in den Hausarztpraxen und möglichst bald auch durch Betriebsärzten aufgestellt werden.
Die schleppende Arbeitsweise des Sozialministeriums stößt bei der Corona-Projektgruppe auf Kritik. Bis dato sei auf den Antrag des DRK Rottweil hinsichtlich eines Mobilen Impfteams light keine Rückmeldung erfolgt. Der Leserbrief „Überblick über die Impfsituation verloren“, erschienen am 7. April im Schwarzwälder Boten, mache deutlich, mit welchen Problemen Senioren konfrontiert sind, wenn sie sich um einen Impftermin bemühen.
Hier schildert ein 82-Jähriger seinen bis jetzt vergeblichen Kampf um einen Impftermin. Auf Vorschlag von Gaus sprach sich die Projektgruppe dafür aus, dass der Kreisseniorenrat beim von der Liga der freien Wohlfahrtsverbände für den 31. Oktober geplanten Ligaaktionstag im Kapuziner in Rottweil mit einem Marktstand vertreten sein soll, falls dies möglich ist.
Das Zuhörtelefon von DRK und Kreisseniorenrat, jeweils donnerstags von 12 bis 14 Uhr unter 0741/479236, wird noch bis einschließlich Mai angeboten.