DEISSLINGEN – Ein flammendes Plädoyer für den Forschungsstandort Deutschland im Allgemeinen, mehr Engagement für die Schlüsseltechnik Künstliche Intelligenz im Besonderen: Prof. Dr.-Ing. Alois Knoll (TU München) nahm gut 50 Vertretern aus Wirtschaft und Politik aus der Region während seines Vortrages am Mittwoch im Deißlinger Hagestall mit auf eine Reise in eine nicht mehr allzu ferne Zukunft.
Die Sektion Rottweil/Tuttlingen des Wirtschaftsrates Deutschland hatte den führenden deutschen Experten eingeladen, um einen Einblick in das Thema zu verschaffen, mögliche Auswirkungen auf Geschäftsmodelle darzulegen und neue Geschäftsideen vorzustellen. „Der Wirtschaftsrat steht für Austausch unter Unternehmern“ begrüßte Dr. Martin Leonhard, Sprecher der Sektion, die Gäste. Ausgerichtet von der Volksbank Deisslingen als Gastgeber erhielten die Besucher wertvolle Informationen und Anregungen sowie im Anschluss die Möglichkeit, beim get together das Netzwerk enger zu knüpfen.
Knoll ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei Künstlicher Intelligenz um „eine Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts handelt.“ Forschung in Deutschland habe sich früh des Themas angenommen, viele hochinteressante Projekte hätten aber den Sprung in die kommerzielle Verwertung nicht geschafft und seien eingeschlafen. Der Professor an der TU München forderte mehrfach spürbar bessere Unterstützung für Gründer in Deutschland, damit das Wissen aus universitärer Forschung durch Ausgründungen in erfolgreiche Unternehmen überführt werden kann.
Der Experte legte dar, dass Künstliche Intelligenz auf Big Data und hoher Rechenleistung basiert. Genau deshalb sei das Thema aktuell so virulent, „denn jetzt verfügen wir über hinreichende Prozessorleistung und Datenmengen.“ Hinzu komme die Fähigkeit, diese Datenmengen auch tatsächlich dank neuster Telekommunikation dort verfügbar machen zu können, wo die Verarbeitung erfolgt.
Leider sei Deutschland in der Entwicklung derzeit hinter die USA und Asien zurückgefallen, es sei aber nie zu spät, eine Aufholjagd zu starten, gegebenenfalls in einer aussichtsreichen Nische. Es gebe interessante start-ups in der Republik, referierte Knoll: Intelligentes Beiladungsmanagement, verbesserte Flexibilität und Agilität intralogistischer Systeme, die Analyse von Pflanzenkrankheiten durch Bildanalyse oder eine automatisierte Rechnungsprüfung und Buchführung würden adressiert.
Knoll prophezeite zwei Hauptstränge der zukünftigen Entwicklung: Für Endnutzer würden Geräte immer einfacher zu bedienen, unter anderen durch Sprach- und Gestensteuerung. Im industriellen Umfeld sei das „machine learning“, also die stete Selbstoptimierung von Produktionsanlagen durch Auswertung erhobener Daten, der zentrale Trend. Absehbar sei, dass es Auswirkungen auf Arbeitsplätze beziehungsweise Berufsbilder geben werde. Tätigkeiten wie Datenerfassung seien nicht zukunftsfähig.
In der anschließenden Diskussion standen Fragen zum Datenschutz, der ethischen Kontrolle und der Stärkung des Standortes Deutschland im Mittelpunkt. In seinem Fazit stellte Dr. Leonhard fest, dass es sich bei der Künstlichen Intelligenz wie bei anderen technischen Neuerungen verhält: Es gebe Risiken und Vorbehalte, im Sinne der Zukunftsfähigkeit des Standortes müsse man aber vor allem die Chancen sehen und versuchen, diese zu ergreifen.