Freitag, 10 Uhr, Termin im Amtsgericht Oberndorf. Ein Mann ist angeklagt „wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte u.a.“ Klingt wenig spannend, aber ein Sachverständiger ist geladen. „Der Mann ist ein notorischer Querulant“, ist auf den Gerichtsfluren vorab zu hören. Man hoffe, dass ein Psychiater sich den Angeklagten mal aus der Nähe anschauen kann.
Kurz vor 10, die Staatsanwältin ist da, der Pflichtverteidiger, die beiden unterhalten sich mit der Protokollantin. Im Zuschauerraum haben zwei Polizeibeamte als Zeugen Platz genommen. Um 10 Uhr kommt Richter Raphael Lutz-Hill. Er stellt fest, wer alles da ist – und dass der Angeklagte nicht erschienen ist. „Unentschuldigt.“
Die Staatsanwaltschaft habe vorab erklärt, man werde keinen Vorführungsfall beantragen. Richter Lutz-Hill kündigt an: Er werde die Sitzung 15 Minuten unterbrechen. Das brauche man fast nicht, meint sie Staatsanwältin: „Er hat ja geschrieben, dass er nicht kommt.“ Der Richter meint, auf die zehn Minuten käme es jetzt auch nicht mehr an und man mache so bestimmt keinen Fehler. Also erheben sich alle, Lutz Hill verlässt den Saal.
Strafbefehl erlassen
Nach zehn Minuten kehrt er zurück, der Angeklagte fehlt immer noch. Daraufhin erlässt Richter Lutz-Hill einen Strafbefehl in Hohe von 140 Tagessätzen zu je 100 Euro, wie von der Staatsanwältin beantragt.
„Bis das rechtskräftig wird, kann es allerdings Monate dauern“, fügt er noch an. Dem Anwalt platzt der Kragen: „Macht das denn alles noch einen Sinn“, fragt er und bittet die nächsten Sätze nicht zu zitieren. Er zürnt über Menschen, die, wie der Angeklagte, mit ihrem Verhalten das Zusammenleben aller erschwerten – um eine sehr abgeschwächte Formulierung zu wählen. Aber immerhin habe der Angeklagte die im vorherigen Verfahren aufgebrummte Ersatzfreiheitsstrafe abgesessen.
Geld spielt keine Rolle
Dem war wohl nicht ganz so, wie die Staatsanwältin berichtet. Er habe eine Geldstrafe in Höhe von 12.000 Euro nicht bezahlt. Daraufhin habe die Polizei ihn geholt. Nach sechs Stunden sei der Sohn aufgetaucht und habe die 12.000 Euro bezahlt. „Dem geht es nicht ums Geld, dem geht es ums Prinzip.“ Geld scheint der Angeklagte im Überfluss zu haben.
Bei dieser Abholaktion war es zum tätlichen Angriff auf die Beamten gekommen, für die er sich nun verantworten musste. Und die ihn nun weitere 14.000 Euro kosten werden. Ob diese Spirale je endet?
Nach 20 Minuten ziehen die Juristen die Roben aus. Sie ahnen wohl, dass das nicht das letzte Verfahren wegen dieses Mannes war.