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„Oberndorf: Es wird weiter prozessiert“, Veröffentlicht: Mittwoch, 23. September 2020, 15.14 Uhr

Oberndorf: Es wird weiter prozessiert

Zwei Zivilprozesse wurden am vergangenen Freitag vor dem Amtsgericht Oberndorf verhandelt. Der ehemalige Mitarbeiter der Stadt Oberndorf Hans Joachim Thiemann hatte gegen Bürgermeister Hermann Acker eine Klage auf Schmerzensgeld angestrengt. Auch der frühere stellvertretende Revierleiter beim Oberndorfer Revier sollte Schmerzensgeld an Thiemann bezahlen.

Was war geschehen? Zum einen soll Hermann Acker bei einer Sitzung des Gemeinderats im Oktober oder November 2018 den Kläger angerempelt haben, als dieser sich über eine Tischvorlage gebeugt hatte. Zum anderen habe der Polizeibeamte den Kläger im Februar 2020 für fünf bis zehn Minuten in der Eingangszone des Polizeireviers eingesperrt.

Eine lange Vorgeschichte

Thiemann hatte von 2001 bis 2014 im Oberndorf als Stadtplaner gearbeitet, war auch für Grundstücksgeschäfte zuständig. Das Arbeitsverhältnis wurde schließlich gekündigt, vor dem Arbeitsgericht erreichten die beiden Parteien einen Vergleich. Seither befindet sich der Ex-Mitarbeiter im Clinch mit der Oberndorfer Stadtverwaltung.

Auf Anfrage der NRWZ teilt das Amtsgericht Oberndorf mit, dass  die Schmerzensgeldklage  gegen Acker abgewiesen wurde. Der Polizeibeamte dagegen sei zu einem Schmerzensgeldzahlung von 650 Euro verurteilt worden. Gegen beide Klagen seien Berufungen beim Landgericht zulässig.

Acker braucht nicht zahlen

Zu den Gründen erläuterte das Gericht, dass im Fall Acker der Kläger keinen Beweis dafür erbrachte, dass er durch die Rempelei einen Schaden oder eine Beeinträchtigung davon getragen hat, etwa durch Arbeitsunfähigkeit, durch eine blutende Wunde oder Fraktur.

Anders als in einem Strafverfahren muss im Zivilverfahren das Opfer, hier der Kläger, beweisen, dass er Verletzungsfolgen erlitten hat, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen. Die Höhe des Schmerzensgeldes unterliegt dann einer Einzelfallbetrachtung.  Da die Voraussetzung für ein Schmerzensgeld, nämlich der Beweis von Verletzungsfolgen nicht erbracht worden sei, sei die Klage abgewiesen worden.

Freiheitsberaubung war unverhältnsmäßig

Im Fall des Polizeibeamten sah das Gericht die kurze Ingewahrsamnahme des Klägers durch den Beklagten nicht als gerechtfertigt an, und verurteilte ihn zur Schmerzensgeldzahlung. Die Vorgeschichte: Der Kläger Thiemann soll verbotswidrig mit seinem Handy in einer Gemeinderatssitzung fotografiert haben. Der Polizeibeamte soll Thiemann aufgefordert haben, sein Handy abzugeben.

Thiemann habe verlangt, mit Revierleiter Stefan Effenberger zu sprechen. Das Polizeirevier befindet sich im Rathaus Oberndorf. Thiemann und der Beamte seien zum Revier gegangen. Dort habe der Beamte Thiemann im Raum zwischen Außentüre und Eingang für fünf bis zehn Minuten eingesperrt, „um Abklärungen vorzunehmen“.

Diese Freiheitsberaubung sei unstreitig, so das Gericht. Ein solches Festsetzen oder in Gewahrsam nehmen ist nur in bestimmten Fällen zulässig, etwa um die Identität einer Person festzustellen, oder wenn jemand stark betrunken ist. Im Fall Thiemann war sie nicht verhältnismäßig. Da der Kläger glaubwürdig berichtet habe, dass er durch Kindheitserlebnisse Panikattacken erleide, wenn er eingesperrt werde, rechtfertige die psychische Belastung die Schmerzensgeldklage.

Ein Ende ist nicht in Sicht

Da sowohl Thiemann als auch der beklagte Polizeibeamte schon angekündigt haben, gegen die jeweiligen Urteile in Berufung gehen zu wollen, wird wohl das Landgericht Rottweil sich mit  den Klagen weiter beschäftigen müssen.

 

 

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