DEISSLINGEN – Handwerksbetriebe können durch die Digitalisierung ausgewählter Geschäftsprozesse eine Reihe spürbarer Verbesserungen erzielen: Dies wurde während des gemeinsamen Informationsabends der Volksbank Deisslingen und der Kreishandwerkerschaft Rottweil deutlich.
„Alle reden von Industrie 4.0 – aber wo bleibt das Handwerk?“ Mit dieser rhetorischen Frage führten Christoph Groß, Vorstand der Volksbank Deisslingen, und Kreishandwerksmeister Andreas Frank in das Thema ein. „Aus der täglichen Praxis weiß ich, dass sich Handwerksbetriebe sehr wohl dem Thema Digitalisierung widmen, dafür aber Beratung und Unterstützung benötigen“ sagte Groß. Diese Unterstützung gab es während des Abends im Hotel Hirt passgenau für die Vertreter von mehr als 50 Betrieben aus den Kreisen Rottweil und Schwarzwald-Baar. Bürgermeister Ralf Ulbrich betonte in seinem Grußwort, dass die Gemeinden einen wichtigen Part übernehmen, denn sie treiben die Breitband-Versorgung mit Hochdruck voran: „Ohne schnelles Internet ergibt Digitalisierung keinen Sinn, deshalb arbeiten wir in Deißlingen daran, Glasfaser möglichst schnell zu Ihnen zu bringen.“
Wie das mit der digitalen Transformation genau geht erläuterte Klaus Tessmann als Hauptredner des Abends. Der Inhaber einer auf das Handwerk spezialisierten Beratungsfirma aus Bielefeld stellte klar, dass die buchstäblich handwerklich erstklassige Leistung weiterhin zentrale Kompetenz bleiben wird und muss. Neben weiteren Fähigkeiten wie Mitarbeiterführung, unternehmerisches Denken und strategischer Weitsicht werde aber auch die digitale Kompetenz über den Geschäftserfolg entscheiden, denn: „Ihre Kundschaft wird auch immer digitaler.“ Anders ausgedrückt: Digital Natives, so der englische Ausdruck für jene Generation, die mit Computer und Smartphone aufgewachsen ist, werden zu Häuslebauern und Renovierern und damit zu Kunden.
Heute seien Festnetz-Telefon, Fax und Rechnungen per Brief noch in vielen Betrieben Standard. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Tessmanns Rat: „Bewegen Sie sich immer am oberen Bereich dessen, was aktuell digital machbar ist.“ Hilfreich sei es, eine klare Analyse zum digitalen Reifegrad des Unternehmens zu erstellen und auf dieser Basis ein Ziel zu definieren. Als konkrete Beispiele für den Einstieg in die digitale Transformation nannte Tessmann die Einführung internetbasierter Systeme zur Zeiterfassung und Mitarbeiterplanung, die digitale Bauakte als Baustellendokumentation sowie die Installation einer Software, die Angebote, Aufträge und Rechnungen digital erstellt. Darauf aufbauend ließen sich dann weitere mobile Anwendungen für Mitarbeiter auf der Baustelle oder digitale Tools für Beratungen beim Kunden implementieren.
Das alles kostet Geld und, oft noch knapper, Zeit und Energie. Martin Träuble, Projektleiter Strategie und Geschäftsmodelle des BWHM, der Beratungsgesellschaft des baden-württembergischen Handwerkstags, informierte daher über Fördermöglichkeiten und Beratungsangebote für Handwerker. „Es gibt eine Reihe von Fördermitteln vom Land, vom Bund und auch von der EU“ verwies er auf zahlreiche Töpfe, aus denen Zuschüsse für die Digitalisierung abrufbar sind. Hier arbeitet die BWHM in der Region eng mit der Volksbank Deisslingen sowie den Steuerberatern der Kunden zusammen, damit solche Gelder in die Region fließen. Im Interview mit Isabella Baca, die in Waldmössingen einen Friseursalon neu gegründet und dabei Geschäftsprozesse etwa durch eine Online-Terminvergabe digitalisiert hat, wurde dargelegt, wie Beratung im Handwerk funktioniert.
Die Diskussion machte deutlich, dass zahlreiche Betriebe bereits erste Erfahrungen gesammelt haben, gerade bei der Digitalisierung aber die Mitarbeiterstruktur zu beachten ist: „Junge Leute nehmen das ganz anders an als erfahrene Praktiker“, berichtete ein Unternehmer. Naturgemäß ging es auch um Kosten und Einsparpotenziale. Tessmann verwies auf eine Untersuchung der DATEV, wonach die digitalisierte Angebots- und Rechnungsstellung bis zu 80% der Zeit einsparen kann und weitere Vorteile bringt: „Der Mitarbeiter kann auf der Baustelle online nachsehen, was genau angeboten wurde, das vermeidet viele Diskussionen und erhöht die Qualität.“
Einigkeit herrschte darüber, dass das Handwerk Herausforderungen zu meistern hat um Kosten zu senken, die Service-Qualität auszubauen und im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte konkurrenzfähig zu bleiben. „Als eine dem Genossenschaftsgedanken verpflichtete Bank mit Fokus auf Mittelstand und Handwerk erkennen wir diesen Handlungsbedarf und sehen es als unseren Auftrag an, hier fördernd zur Seite zu stehen“ dankte Groß den Teilnehmern für deren großes Interesse.