KREIS ROTTWEIL – Blähungen, Krämpfe, Durchfall oder Verstopfung: Eine Magen-Darm-Infektion, die wenige Tage dauert, kann bereits zu einer echten Geduldsprobe werden. Wie ist es aber, wenn man mit ähnlichen Beschwerden wochen- oder sogar monatelang zu kämpfen hat? Oft ist dann das Reizdarmsyndrom der Grund.
Prospekt der Woche
... zum Vergrößern und Durchblättern:PD Dr. Miriam Stengel, leitende Oberärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie und Ärztliche Direktorin der Helios Klinik Rottweil, forscht zum Thema Reizdarm und hat vor Kurzem einen Ratgeber im Springer-Verlag veröffentlicht. Dieser ist unter dem Link Ratgeber Reizdarmsyndrom | SpringerLink zu finden.
Dr. Miriam Stengel lädt am Dienstag, 17. Januar, zu einem Patientenvortrag in die Klinik ein. Ab 18.30 Uhr wird sie näher auf das Erkrankungsbild, die Symptome, die Diagnosestellung und therapeutische Optionen eingehen. Im Vorfeld hat Dr. Miriam Stengel einige Fragen zum Reizdarmsyndrom beantwortet.
Frau Dr. Stengel, ist Reizdarm eigentlich eine verbreitete Erkrankung?
Das Reizdarmsyndrom ist in der Tat eine weltweit verbreitete und vor allem häufige Erkrankung. In Deutschland sind jedoch nur circa 1,1 Millionen Menschen damit diagnostiziert, sodass wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Studien zeigen, dass circa 10-15 Prozent der Patienten in der Allgemeinarztpraxis ein Reizdarmsyndrom haben. In Facharztpraxen, die auf Magen-Darm-Probleme spezialisiert sind, hat sogar jeder zweite bis vierte Patient ein Reizdarmsyndrom. Da die Beschwerden unspezifisch sein können, ist das Erkrankungsbild auch in der Notaufnahme häufig.
Wer ist da betroffen? Gibt es eine bestimmte Risikogruppe, was Alter, Geschlecht oder Lebensweise angeht? Mit welchen Symptomen haben die Betroffenen zu kämpfen?
Betroffen können alle Menschen sein. Jedoch tritt die Erkrankung besonders häufig bei jungen Erwachsenen auf und wird auch häufiger bei Frauen diagnostiziert. Ob dies am Einfluss der Hormone liegt, oder doch daran, dass Frauen vielleicht häufiger zum Arzt gehen, ist noch nicht ganz geklärt. Da das Erkrankungsbild auch mit Stress assoziiert ist, kann eine stressige Lebensweise zur Reizdarmsymptomatik beitragen und die Beschwerden auch verstärken. Typische Symptome sind Bauchschmerzen, die unterhalb des Bauchnabels zu lokalisieren sind, Blähungen, Krämpfe oder auch Stuhlunregelmäßigkeiten wie Durchfall oder Verstopfung.
Warum ist gerade beim Reizdarmsyndrom die Hemmschwelle groß, zum Arzt zu gehen?
Bauchsymptome wie Durchfall oder Blähungen sind schambehaftet. Darüber zu sprechen fällt vielen Betroffenen schwer. Dies ist vermutlich einer der Gründe, weshalb der Arzt erst spät aufgesucht wird. Andererseits ist es aber auch häufig, dass die Patienten bereits viele Ärzte aufgesucht haben, dennoch die Symptome fehlgedeutet werden und die korrekte Diagnose nicht früh genug gestellt wird. Dies führt zu einer Therapieverzögerung und Chronifizierung. Das Reizdarmsyndrom geht mit einem hohen Leidensdruck für die Patienten einher und führt zu einer sehr schlechten Lebensqualität. Die Folge können lange Fehlzeiten in Schule oder Beruf und gar eine Frühberentung sein.
Wann und bei welchen Zuständen muss man sich ernsthaft Sorgen machen?
Das Reizdarmsyndrom verläuft zwar chronisch und führt zu einer schlechten Lebensqualität, es ist jedoch nicht tödlich. Bei akuten Bauchbeschwerden sollte man sich daher Sorgen machen, wenn sogenannte Alarmsymptome auftreten. Diese können beispielsweise Fieber, Gewichtsabnahme, Blut im Stuhl oder auch starke wässrige Durchfälle und nächtliche Beschwerden sein. Beim Auftreten dieser Alarmsymptome sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden und eine erweiterte Diagnostik eingeleitet werden. Diese Symptome sprechen dann nicht für das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms.
Die Diagnose Reizdarmsyndrom kann man stellen, wenn wiederkehrende Bauchschmerzen mindestens an einem Tag in der Woche innerhalb der letzten drei Monate aufgetreten sind und diese zusätzlich in Zusammenhang mit der Darmentleerung stehen, mit einer veränderten Stuhlfrequenz oder einer veränderten Stuhlkonsistenz. Die Symptome sollten mindestens seit sechs Monaten andauern.
Kann man denn irgendwie vorbeugen?
Vorbeugende Maßnahmen gibt es nicht. Prinzipiell kann das Reizdarmsyndrom jeden treffen. Wir kennen das sogenannte postinfektiöse Reizdarmsyndrom, welches nach einer Magen-Darm-Infektion auftreten kann. Das heißt, ein Magendarminfekt kann als Risikofaktor für das Auftreten eines Reizdarmsyndroms gelten. Ebenso können schwerwiegende traumatisierende Erfahrungen in der Vergangenheit dazu prädisponieren, ein Reizdarmsyndrom zu entwickeln. Tatsächlich ist auch eine familiäre Häufung beschrieben.
Welche Therapieansätze gibt es? Gab es in den vergangenen Jahren neue Erkenntnisse zum Thema Reizdarm?
Es gibt ständig neue Erkenntnisse zum Thema Reizdarmsyndrom. Auf der ganzen Welt wird dazu geforscht, eben weil die Erkrankung weltweit so häufig auftritt. Insbesondere die neuen Erkenntnisse zu den Darmbakterien sind hilfreich für das Verständnis des Reizdarmsyndroms. Die Therapie besteht in einem multimodalen Ansatz. Das bedeutet, dass verschiedene Therapiebausteine eingesetzt werden. Diese können zum Beispiel symptomorientierte Medikation, Ernährungsumstellung, Patientenschulung, gezielte Beeinflussung der Darmbakterien durch Probiotika oder auch Psychotherapie sein. Der Therapiebaukasten ist reichhaltig. Die Schwierigkeit besteht nun darin, die für den Patienten individuell zugeschnittene Therapie auszuwählen.
INFO: PD Dr. Miriam Stengel hält am Dienstag, 17. Januar, ab 18.30 Uhr einen Patientenvortrag in der Cafeteria der Helios Klinik Rottweil. Der Vortrag richtet sich an Betroffene, Angehörige und alle, die grundsätzlich am Thema interessiert sind.
Es ist keine Anmeldung und kein Testnachweis notwendig, da die Veranstaltung in einem abgesperrten Bereich der Klinik stattfindet. Es gilt die FFP2-Maskenpflicht.