Liegt die Grenze zwischen „it“ und „nit“ irgendwo beim „Fürsten“? Zumindest ergaben Gespräche des Sprachwissenschaftlers Dr. Rudolf Bühler mit Menschen aus Deißlingen und Lauffen, dass hier dieser Begriff verwandt wird, dort jener.
Prospekt der Woche
... zum Vergrößern und Durchblättern:Wie berichtet, hat der Landkreis ein Forschungsprojekt über die Dialekte in seinen Städten und Ortschaften in Auftrag gegeben. Ein Sprachatlas des Kreises soll daraus entstehen. Bühler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Tübingen, ist der Forscher vor Ort und spricht mit Vertreterinnen und Vertretern aus den 70 Ortschaften im Kandkreis Rottweil. Als „dialektische“ Gesprächspartner für Deißlingen hat Bürgermeister Ralf Ulbrich zusammen mit Mitarbeiterinnen Wolfgang Köhler Jahrgang 1947) ausgesucht, bekannt aus dem Gassentheater, und den früheren Diakon Elmar Schmeh (Jahrgang 1953). Die Gesprächspartner aus Lauffen waren Gunda Grimm (Jahrgang 1936) und Siegfried Bucher (1939), dazu die Jugendlichen Dorothea Tischler und Felix Zepf.
Eine ganze Reihe von Wörtern hat Bühler sich notiert, auch um die Mundarten in den einzelnen Ortschaften vergleichen zu können. Auch wenn es zwischendurch an ein Abfragen wie in der Schule erinnert (Forschung ist halt eine ernste Sach): Das Klima ist locker, was offensichtlich der Redefreude gut tut. Ein Genuss, hier zu „loschohren“.Sagt man zum Bürgermeister „Schultes“? Ja, auch noch heute. Mit d oder t? „Mit ama harta d“, sagt Köhler. Ein Ausdruck, der anscheinend verschwindet: Die beiden Jugend-Vertreter aus Lauffen hatten angegeben, nur „Bürgermeister“ zu sagen.

Wie aus der Pistole geschossen kommen manche Ausdrücke. Manche etwas zu schnell. „Wie heißt das Tier, das Eier legt?“ will Bühler wissen. „Guller!“ die Antwort – die dann aber schnell in „Henn“ korrigiert wird.
Gelegentlich müssen sich die beiden Deißlinger auch ergänzen. Ob man in Deißlingen zu schön „schee“ oder „schei“ sagt. Da kommt erst so langsam die Erinnerung: Alle sagen „schee“, aber „d’Oma hot no scheine Kiah gsagt“. Und noch ein aussterbender oder gar ausgestorbener Ausdruck: Blau – sagt man auch „bloab“ dazu? „Eine Generation vor uns“, berichtet Köhler. Und bei den Lauffenern hieß es „Großmutter hat gesagt, an bloaba Kittel.“
Was tut man mit der Peitsche oder „Goaßl“? Klare Sache: „goaßla“, weiß Köhler. Dann wirft Bühler ein, die Lauffener hätten auch „Klepfa“ gesagt. Zögernd räumen die beiden Deißlinger ein, das könne man hier auch so sagen. Noch ein Unterschied: Die Verneinung ist in Lauffen „it“, in Deißlingen „nit“. Zum vordersten Stück der Geißel sagen die Lauffener „Zwick“, die Deißlinger nennen es „Rick“. Für das Genick kennen die Deißlinger „Gnick“. Den Ausdruck „Angka“ kennen die Lauffener, die Deißlinger hingegen nicht. Oder nur diese beiden Deißlinger? Egal: das steht dann so in der Forschungsarbeit und im daraus entstehenden Sprachatlas des Landkreises.
So gelegentlich kommt auch der (badische) Forscher Bühler draus. Zum Beispiel, als es um „Bauna“ (Bohnen) geht. „Buschbohnen – saget ihr da Brockele dazu?“, will er wissen. Die spontane Antwort von Köhler: „Brockele sind Erbsen!“
Und ein bisschen über den Tellerrand wird auch geschaut. Ob sie Stall mit langem a sprechen, also „staal“, will Bühler von den Vertretern aus Lauffen wissen. „Des sind d’Schwenninger“, sagt Siegfried Bucher. „Bei denen weiß man nie, ob sie Stall oder Stahl meinen“, scherzt er.
Die Stimme der Jugend kam aus Lauffen – bei den Deißlingern hat’s irgendwie nicht geklappt. Sowohl Felix Zepf als auch Dorothea Tischler sind beim Musikverein aktiv – das war auch die Vorgabe gewesen. Und beide sprechen gern Schwäbisch, jedenfalls dort, wo es auch verstanden wird. Tischler, Anfang 20, schreibt sogar auf Whatsapp Schwäbisch. Sie will nicht, dass ihre Sprache ausstirbt. Für diese beiden ist das Schwäbische „Heimat“ (Tischler) und „Identität“ (Zepf).