Schramberg – Ein große Schar Freunde, Jahrgänger, Weggefährten und früherer Arbeitskollegen haben sich am Freitag per Paternoster in die vierte Etage der Junghans-Uhrenfabrik befördern lassen. In der Kantine dieses symbolträchtigen Ortes haben Dr. Hans-Jochem Steim und Stadtarchivar Carsten Kohlmann ein Buch von Gernot Stähle vorgestellt: „Junghans Uhren Federn Zünder – Ein Kaleidoskop“.

Ein wenig nostalgisch wie die Fahrt im Paternoster war dann auch die Stimmung. Als Hausherr begrüßte Steim die Gäste und berichtete, dass dies eine vorgezogene Geburtstagsfeier für Stähle sei, der tags drauf einen runden – den 80ten – Geburtstag feiere.
Es sei ihm ein großes Bedürfnis, Stähle mit dieser Veranstaltung Dank zu sagen, „für alles, was Sie für die Stadt, uns Schramberger, für die alte und neue Firma Junghans, für die Firma Kern-Liebers und letztlich für mich geleistet haben“, so Steim.

Lebenslange Freundschaft
Vor 52 Jahren seien sie sich erstmals bewusst begegnet. Er sei damals bei Hugo Kern Leiter der neuen Abteilung Forschung und Entwicklung gewesen und Stähle sein erster Mitarbeiter. Stähle hatte nach einer Ausbildung zum Großuhrmacher die Technikerschule in Schwenningen besucht und war Feinwerktechniker. „Politisch waren wir beide weit auseinander“, erinnert sich Steim. Stähle war Juso, Steim Wiederbegründer der Jungen Union. „Aber fachlich spielte das keine Rolle.“
Gemeinsam hätten sie besondere Stähle für die Uhren- und Sicherheitsgurtfedern entwickelt oder weiter entwickelt. Stähle sei bei Kern-Liebers ein „äußerst kritischer aber fachlich sehr geschätzter“ Mitarbeiter gewesen, bis er 2000 in den Vorruhestand ging.

Homo horologicus
Danach habe er sich zum Homo horologicus entwickelt, wie ihn Stadtarchivar Kohlmann bezeichnet habe, zum Uhrenmann. Gemeinsam mit der leider schon früh verstorbenen Karin Becker habe er die Uhrengeschichte erforscht und auch sonst sich als Chronist in Schramberg hervor getan. Viele Festschriften zu Jubiläen der AWO und der SPD, etliche Aufsätze in der Zeitschrift D’Kräz und in Fachzeitschriften stammen von Gernot Stähle.
Neben der Uhr habe auch die Herstellung von Zündern die Firma Junghans geformt, so Steim. Das seien „Uhrwerke für militärische Zwecke“, die von vielen auch dem Jubilar noch bis vor kurzem kritisch gesehen worden seien. Steim hieß in diesem Zusammenhang auch Hans Kaiser, den langjährigen Chef von Junghans Feinwerktechnik willkommen.
Der Krieg in der Ukraine habe die Einstellung zu den Zündern verändert, plötzlich seien „Waffen wieder in“. Rote, Grüne und Liberale forderten Schuldenmachen für die militärische Aufrüstung, wunderte sich Steim. „Von Konversion ist nicht mehr die Rede.“
Flohmarktwecker als Motto
Mit einem roten Wecker, den er auf einem Flohmarkt erstanden hatte („für einen Euro!“) hatte Kohlmann nicht nur ein Geschenk für den Autor. Er hatte auch einen Aufhänger für seinen Festvortrag. Die IG-Metall hatte den Wecker fertigen lassen. Er sei zwar nicht von Junghans, stehe aber in der Tradition der ganz ähnlichen von Junghans seit 1880 nach „amerikanischen System“ gefertigten Wecker.

Er passe zu Stähle, dem Linken. Dass ihn und den Konservativen Steim eine Freundschaft verbinde, sei „ein gutes Stück Schramberg“.
Stähles Buch sei „auch eine Auseinandersetzung des kritischen und politischen Zeitgenossen mit selbst erlebter Industriegeschichte“. Stähle sei auch für seine Heimatstadt, die ihr technikgeschichtliches Erbe nicht „verschlafen“ dürfe, immer wieder ein Wecker gewesen.

Neue Einsichten
Das Buch enthalte 13 bisher unveröffentlichte Aufsätze zur Industriegeschichte seiner Heimat. Entstanden seien diese in Vorbereitung zu Ausstellungen oder als Vorträge. Stähle sei zu einem „profilierten Kenner der örtlichen Uhren-, Federn- und Zünderindustrie“ geworden.
Er zeige die langen Linien von der Entwicklung in Technik und Wirtschaft auf. Zum anderen gebe es „fundierte Porträts“ von wiederentdeckten Objekten aus der Sammlung der Uhrenfabrik Junghans. Einige davon seien nun im Terrassenbaumuseum ausgestellt. Mit dem Wunsch „ad multos annos“ schloss Kohlmann seine ausführliche Buchvorstellung.
Dem Krieg Einhalt gebieten
Stähle selbst dankte für die freundschaftliche Verbindung zu Steim und Kohlmann. Ohne Kohlmanns und Lena Spomers Unterstützung im Stadtarchiv „wäre das Buch wohl nicht entstanden“. Dank sagte er auch Gunnar Link für die Buchgestaltung und Margret Spannagel für das Lektorat.
Einige Aufsätze habe er kürzen oder gar weglassen müssen, um den Umfang des Buches nicht zu sprengen. Bei den Zündern bleibe er kritisch. Man könne nicht zwischen guten und schlechten unterscheiden. „Die Realität sind Tod und Zerstörung – und dem muss Einhalt geboten werden.“ Aber wie? „Darüber streiten sich die Geister“, so Stähle.
Bevor sich die Gäste dem Buch zuwendeten, hatte Peter Renz, ebenfalls ein Jahrgänger Stähles noch ein besonderes Geschenk. Den Wappenvogel der Stadt Schramberg auf einem persischen Seidenteppich. „Du weiß ja, der Schramberger Greif schaut nach rechts“, scherzte Renz, „dieser für Dich aber nach links!“

Info: Das neue Buch von Gernot Stähle ist zum Preis von 14.90 Euro ab sofort im Stadtmuseum Schramberg erhältlich und kann über die Telefonnummer 07422/29268 oder über die E-Mail-Adresse [email protected] zuzüglich Versandkosten auch bestellt werden.