Maria Fleig nahm bei einem Vortrag die Zuhörer im katholischen Pfarrsaal auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Sie landeten in einer harten Zeit, in der Sitten und Bräuche Freude und Abwechslung in den Alltag brachten.
Viele Rituale zeugen aber auch von der verzweifelten Abhängigkeit der ländlichen Bevölkerung von äußeren Bedingungen wie dem Wetter. So wurde an den Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig das Wettergeschehen jedes Tages akribisch beobachtet, stand doch jeder Tag für einen Monat des nächsten Jahres. Und Sprüche und Bauernregeln wie „Sankt Matheis bricht’s Eis“ (24. Februar) oder „Sankt Kunigund bringt Wärm‘ von unt'“ (3. März) beschworen den Frühling herauf.
Zogen schwere Gewitter auf, verbrannten die Tennenbronner Zweige aus den am Palmsonntag in der Kirche geweihten Buschen im Herdfeuer, um Schäden durch Blitz, Wind und Starkregen abzuwenden.
In harten Zeiten viel gefeiert
Trotz – oder gerade wegen – der harten Zeiten, wurde viel gefeiert. Die Kirche gab Anlass zu zahlreichen Festen und Ritualen, wobei die evangelischen Traditionen im Vortrag eher ausgespart blieben, entstammte die Zusammenstellung doch „der Sicht der Eichbachmüllerin, und die ist nun mal katholisch“. Neben Ostern und Weihnachten spielten auch die verschiedenen Feste im Laufe eines Lebens -–Taufe, Kommunion, Konfirmation, Hochzeit und Tod – und die dazugehörigen Riten eine zentrale Rolle.
Auffällig ist, dass viele Feste nicht zurückgezogen zu Hause gefeiert wurden, sondern dass das ganze Dorf mit einbezogen war. Sei es durch Böllerschüsse, die den Ort auf freudige Ereignisse hinwiesen, oder durch Prozessionen und Umzüge zu Hochzeiten, an der Fasnet, zu Jubiläen diverser Vereine oder zu kirchlichen Feiertagen wie Fronleichnam.
Vom Säcklestrecken und Erdepfelbräggel
Fleig führte die Zuhörer auch auf einen Hof im Herbst. Es steht ein arbeitsreicher Tag an, der aber – wie so oft in dieser Zeit – auch ein großes Fest mit sich bringt: Im Anschluss an die Plackerei treffen sich alle zum Schlachtfest.
Und während drinnen in der guten Stube ausgiebig geschmaust wird, melden sich von draußen junge Männer, die auch etwas vom Festmahl abhaben wollen. Sie klingeln nicht einfach an der Türe, nein, sie haben einen Stoffsack an einem langen Stab befestigt, befördern ihn so ans Fenster hinauf und verstecken sich im naheliegenden Gebüsch. Die Festgesellschaft holt den Sack herein. Darin befinden sich ein paar Geschenke, vor allem aber der Säcklebrief, in dem humorvoll auf gute und schlechte Taten des Bauern hingewiesen wird.
Die Bauernfamilie füllt den Sack mit Wurst, hängt ihn an die Türe und legt sich auf die Lauer. Die Säcklestrecker versuchen nun, den Sack unbemerkt an sich zu bringen, was des öfteren in wilden Verfolgungsjagden durchs Gelände endete. Wurden die Säcklestrecker schließlich gefasst, wurden sie in die Stube gezerrt und gezwungen, eine Schlachtplatte zu essen – mit rußverschmiertem Gesicht und hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen.

Immer wieder kam Maria Fleig auch darauf zu sprechen, welch eine besondere Freude kleine Leckerbissen sein können, wenn der Speiseplan ansonsten eher karg ausfällt. Die Kinder freuten sich an Kilbi über Äpfel und Honigbrote, die Hirtenjungen von besonders großzügigen Bauern durften sich auf dem Schellenmarkt eine Bratwurst kaufen.
Spätestens an diesem Punkt des Vortrages wollten die Zuhörer eigentlich gar nicht mehr in die Zeitmaschine steigen, um in den November des Jahres 2018 zurückzukehren. shu