ROTTWEIL – Neuigkeiten gibt es von der Aktion „Platzhalter – Kunst im Schaufenster“, die von der Stadt Rottweil und dem Forum Kunst verantwortet wird und auf leerstehende Gewerbeimmobilien hinweist: Im Haus Kirsner an der oberen Hauptstraße ist seit gestern eine besondere Szenerie zu entdecken: Künstler-Puppen von Marlene Stöhrer.
Stöhrer, eine Nachfahrin des Barockmalers Johann Achert, ging in den 1950er Jahren als 15-Jährige von Rottweil nach Karlsruhe, um Klassisches Ballett und Ausdruckstanz zu studieren. Ihren Abschluss machte sie an der Ballettschule des Staatstheaters Stuttgart. Als sie mit ihrer Familie zurück nach Rottweil zog, unterrichtete sie selber Ballett, arbeitete als Leiterin für Geburtsvorbereitungskurse, entwarf aber auch Choreografien etwa für die Fasnetsbälle der Narrhalla. Ein neues Thema entdeckte sie, als sie Handpuppen für ihre Kinder anfertigte. Ihr Schwager, der renommierte Maler Walter Stöhrer, ermutigte sie, in dieser Richtung weiterzuarbeiten und gab die erste große Figur in Auftrag.
Seither haben die Puppen sie nicht mehr losgelassen. Die Künstlerin modelliert Köpfe und Hände aus Pappmaché und Keramikmasse und legt als Reminiszenz an den Tanz besonderen Wert auf ausdrucksvolle Positionen der Arme und Finger. Für Kostüme und Dekoration verwendet sie meist historische Textilien – beispielsweise Brokatstoff, den sie von einer Nonne geschenkt bekam, oder den Plüschbezug eines uralten Sofas. Flachs oder Rosshaar dienen als Frisuren – auch das Materialien, die ihre Geschichte in sich tragen. Ob Marionette, Engelsfigur oder das abstrahierte Porträt eines Mädchens: Marlene Stöhrers Figuren zeichnen sich aus durch noble Introvertiertheit und gleichzeitig eine vieldeutige, fast beschwörende Expressivität.
Eine besondere Note erhält die Ausstellung, weil die Figuren auf die Außenterrasse des Café Schädle blicken. Das hieß nämlich bis in die 1930er Jahre Café Seyfried und gehörte dem Großvater von Marlene Stöhrer.