„Der Metzger kam am frühen Morgen. Dann wurde das Schwein aus dem Stall geholt. Wir Kinder wurden kurz weggeschickt, bevor das Tier mit dem Bolzenschussgerät getötet wurde.“
So beginnt Manfred Kriener sein Kapitel über „Neues Fleisch Zellulärer Hackbraten und Heuschreckenragout“ Kriener ist 1953 geboren und in Sulgen aufgewachsen. Er ist in Schramberg zur Schule gegangen, lernte Journalismus und gehört zur Gründergeneration der Berliner Tageszeitung die TAZ. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Kriener mit dem Essen: So war er fünf Jahre Chefredakteur der Zeitschrift Slow Food, hat den Slow-Food-Genussführer herausgegeben.
Jetzt rechnet er mit der Lebensmittelindustrie ab: „Lecker-Land ist abgebrannt – Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur“ heißt sein neues Buch, das dieser Tage auf den Markt gekommen ist.
Es sei kein Ratgeber, sage nicht, was wir essen sollen oder dürfen, so der Verlag: „Stattdessen serviert es ein Informationspaket, damit der Verbraucher als Souverän über seinen Teller sich kompetent orientieren und selbst entscheiden kann.“
Essen wird für uns zwar immer bedeutsamer, alles wird abgelichtet und durch die Instagramwelt geschickt, was vor uns auf dem Teller liegt. Aber was genau da auf dem Teller liegt, wo es herkommt, wie es hergestellt wurde, dazu fehle es an Wissen und Beurteilungsvermögen. Und Kriener liefert Fakten wie diese: „Im Lauf seines Lebens isst der Mensch, wenn er 80 Jahre alt wird und es dreimal täglich tut, fast 90.000-mal. Wir widmen dem leiblichen Wohl fünf bis sechs Jahre unseres Lebens. Inklusive Zubereitungszeit sind es sogar zehn Jahre.“
In elf Kapiteln vermittelt Kriener uns die Fakten aus der schönen, neuen Ernährungswelt. Vom Essen 4.0, bei dem neben ser und Gabel das Handy zum Besteck gehört,über den Vegan-Boom, die toxischen, weil in Massentierhaltung erzeugten, Steaks über Bio als dem kleineren Übel bis hin zum Zucker, den angeblichen Superfoods und schließlich dem Zusammenhang von Bevölkerungswachstum, Hunger und brennenden Regenwäldern.
Manfred Kriener wisse, “wie die Natur zu unserem Wohl unermüdlich liefert und wir sie trotzdem mit Füßen treten und wie die Gier des Menschen dauernd obsiegen und ausbeuten möchte“, schreibt der Stuttgarter Sternekoch Vinzenz Klink im Vorwort. Krieners Beobachtungen sind erhellend: “Kochsendungen und Kochbücher sind zum Surrogat fürs eigene Brutzeln geworden.“ Was uns heute oft fehlt, sind eben auch Erinnerungen wie diese an eine Sulgener Kindheit: „Geschlachtet wurde im Winter, meistens lag Schnee im Garten, auf dem das tote Schwein eine breite, leicht blutige Spur hinterließ. Es wurde zum Kellerfenster geschleift und fiel über eine Holzrutsche auf den Tisch in der Waschküche.“
Info: Manfred Kriener: „Lecker-Land ist abgebrannt -Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur“ Hirzel Verlag. ISBN 978-3-7776-2815-8 (Print), ISBN 978-3-7776-2856-1 (E-Book, epub)