ROTTWEIL – Zuzanna Czebatul erhält den mit 15.000 Euro dotierten Werkstattpreis der Kunststiftung Erich Hauser. Die Auszeichnung bietet der Künstlerin die Möglichkeit, mehrere Wochen in der Werkstatthalle der Kunststiftung Erich Hauser zu arbeiten und die dabei entstandenen künstlerischen Arbeiten anschließend in einer Ausstellung in der Werkstatthalle zu präsentieren.
Die Künstlerin wurde von einer Fachjury, bestehend aus Ute Stuffer, Direktorin Kunstmuseum Ravensburg, Judith Irrgang, Leiterin Kunstsammlung Frieder Burda, und Jürgen Knubben, stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender Kunststiftung Erich Hauser, ausgewählt. Der Preis wird an junge aufstrebende Bildhauerinnen und Bildhauer vergeben, um sie in ihrem Werdegang mit einem Preisgeld, Arbeitsraum sowie einer Ausstellung in der Kunststiftung zu unterstützen. Weitere 11 Bildhauerinnen und Bildhauer wurden für den Preis nominiert: Max Brück, Yngve Holen, Sophie Jung, Sonia Kacem, Jonas Monka, Ivo Rick, Jonas Roßmeißl, Neringa Vasiliauskaite, Anna Virnich, Julius von Bismarck und Anna Werzowa.
Zuzanna Czebatul, 1986 in Międzyrzecz, Polen, geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte an der Städelschule in Frankfurt am Main und an der Universität der Künste Berlin sowie in New York am Hunter College als Fulbright-Stipendiatin. Ihre Arbeiten wurden bereits in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert. 2021 fand im Kunstpalais Erlangen ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland statt. Ihr noch junges Oeuvre kennzeichnet sich durch eine ganz eigene Handschrift aus: Auf geistreiche und humorvolle Weise erzählen ihre Arbeiten meist von hegemonialen Herrschaftssystemen und Machtverhältnissen und dem Zusammenspiel von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Interessen. Ihre Arbeiten – die von raumgreifenden Installationen über Bodenarbeiten bis hin zu großformatigen Büsten reichen – bedienen sich dabei einer Fülle von Materialien wie Textilien, Plüsch, Vlies aber auch Kunstharz, Glas oder Beton.
Aus der Juryentscheidung zur Preisträgerin Zuzanna Czebatul heißt es: Als junge Künstlerin unserer Zeit ist Czebatul geradezu prädestiniert, sich mit Erich Hausers bildhauerischen Kosmos auseinanderzusetzen. Mit ihrer Sensibilität wird sie die herausfordernd männlichen und wuchtig in Stahl gezwungenen spitzen und dominanten Formen Hausers in eine queere feminine Skulpturenwelt aufgehen lassen. Die Bildhauerin Zuzanna Czebatul denkt gerne queer und groß, nimmt es mit Vorliebe mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten und tradiertem Geschichtsverständnis auf. Sie schafft Pop-Deko-Ensembles aus Elementen der Bau- und Kunstgeschichte, gemixt und verstoffwechselt in einem Bad aus queerer Sexualanalyse und tagespolitischen Gesellschaftsdebatten.
Aus diesem Schüttelbad entläßt Czebatul humorige, oft der Cartoonsprache entlehnte Kunst – bzw. bildhauerische Objekte, mit denen sich ihr frecher und sehr reflektierter Geist wie ein erfrischender Luftstrom im Raum verbreitet. Sie spielt gekonnt mit den Machtstereotypen eines männlichen Geschichtsbilds. Ihre Arbeiten sind von einem menschenfreundlichen Humor geprägt, obwohl sie mit ihnen an den Fundamenten einer Welt voller „Mannsbilder“ rüttelt. Czebatuls zentrales Anliegen besteht darin, Kritik an den Machtverhältnissen auszuüben und gleichzeitig Freude zu bereiten. Oft ins Überdimensionale vergrößert, nehmen ihre Skulpturen souverän jeden Raum ein. Phallische Formen, sinnliche Muster, Materialien und Oberflächen verströmen eine alle Geschlechter vereinende Erotik.
Überhaupt spricht Czebatul im ersten Augenblick immer die Sinnes-Freude an, der im zweiten Schritt ein kritisch-humorvoller Gedankenanstoß folgt. Nie verfällt sie in den heute so gängig dogmatisch krampfhaften Diskurs des Genders oder in verbissenen Feminismus. Selbstbewusst und leicht jongliert sie mit Stereotypen, die sie spielerisch in ein eigenes skulpturales Universum transformiert. Ihr erfrischender Humor dringt aus jeder Pore ihrer Kunstwerke, die einen oftmals im ersten Augenblick laut lachen lassen bevor sich eine Verblüffung einstellt, erkennt man die Ernsthaftigkeit dahinter.
Erich Hauser (1930-2004), deutscher Bildhauer, gründete 1996 die Kunststiftung Erich Hauser, die sein ehemaliges Wohn-, Arbeits- und Kunstareal bewahrt und öffentlich zugänglich hält. Dem Wunsch Hausers folgend, lobt die Kunststiftung Erich Hauser den Werkstattpreis seit 1997 aus. Die ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstler werden eingeladen, um sich mit den Werken Erich Hausers auseinanderzusetzen, um daraufhin eine eigenständige künstlerische Position zu formulieren.
INFO: Die Ausstellung des Werkstattpreises wird am Samstag, 22. Oktober, um 16 Uhr eröffnet und ist bis zum Sonntag, 20. November, in der Kunststiftung Erich Hauser zu sehen. Der Eintritt ist kostenfrei. Die Öffnungszeiten der Ausstellung werden noch bekannt gegeben.