Nach all den ganzen Berichten über den Notstand und die katastrophalen Zustände in der Wittum-Einrichtung, ist es nun mal an der Zeit, die Sichtweise der nicht ganz so unzufriedenen Eltern kund zu tun.
Bezugnehmend auf den Bericht NRWZ vom 15. Juni 2018 mit dem schönen Titel: Leiterin gibt auf, stellt sich mir als aller erstes die Frage: Was bringt Frau Sauerbrunn, die den Job seit über 20 Jahren macht, dazu einfach aufzugeben? “Das bisschen Kinderhüten kann es ja wohl nicht sein“. Aber Spaß beiseite. Jeder, der Kinder hat, weiß, wie anstrengend es sein kann, sie zu bespaßen und zu versorgen. Aber das ist ja nicht das einzige, was Erzieherinnen zu tun haben. Eine Träne hier, ein offenes Knie da und die Windel ist auch schon wieder voll. Da braucht man ganz schön Humor und Nerven bei zum Teil 25 Kindern in einer Gruppe. Dazu kommt der ständige Personalmangel, durch den auch immer mehr von den Erziehern abverlangt wird.
Und jetzt die unschöne Seite daran: Massive Beschwerden, persönliche Beleidigungen und Anfeindungen von ach so „besorgten Eltern“, die nur das eine, das Wohl ihrer Kinder im Sinn haben. Das Ganze natürlich anonym. „Man will ja nicht den Ruf verlieren.“ Ich nenne das feige! Jetzt muss noch ein Schuldiger her, den man anprangern kann, das trifft in dem Fall Frau Sauerbrunn. Anstatt mit ihr ein Gespräch zu suchen, zu dem sie immer bereit war, wird es direkt an die Verwaltungsstelle gesendet. Noch schlimmer finde ich den Weg über die Presse. Ich bedauere ihre Entscheidung sehr, kann es aber unter diesen katastrophalen Umständen gut verstehen. Ich rechne ihr sehr hoch an, das sie nur die Leitung abgibt, dem Wittum-Kindergarten jedoch als Erzieherin erhalten bleibt und dem Job nicht ganz den Rücken kehrt.
Nun, liebe „besorgte Eltern“, der Erziehermangel zieht sich durch das ganze Land, jede zweite Einrichtung klagt über Personalmangel. Es fehlen in Deutschland immer mehr Erzieher und das bei ständig wachsenden Kinderzahlen. Die Länder schaffen immer mehr Kindergartenplätze, aber der Nachwuchs an Erziehern dauert eben drei bis vier Jahre und geht langsam voran. Es ist also schneller ein Kindergarten gebaut als ein Erzieher ausgebildet. Dazu kommt, dass der Beruf des Erziehers eher schlechte Verdienstmöglichkeiten bietet, also nicht sehr interessant für junge Menschen ist. Eine Einrichtung so öffentlich anzuprangern, macht es sicher nicht einfacher, neues Personal zu finden.
Meine Familie und ich möchten Frau Sauerbrunn und dem ganzen Kindergarten-Team unser größtes Lob aussprechen, denn sie alle machen aus der momentan schwierigen Situation wirklich das Beste. Das wichtigste ist doch, dass die Kinder jeden Tag in den Kindergarten können und es zu keinen Notgruppen kommt. Unser Sohn hat sich auch noch nicht darüber beschwert, dass kein Wald- oder Backtag stattfindet. Solange er freudestrahlend mit dem halben Sandkasten in den Schuhen bis zu der Unterhose vom Kindergarten nach Hause kommt, ist für uns alles in bester Ordnung.
Jürgen Kern mit Familie, Schramberg