In einem Offenern Brief wendet sich Werner Fischer aus Rottweil an die Stadtverwaltung und Gemeinderäte der Stadt Rottweil:
Sehr geehrte Damen und Herren,
für den am 20.09.2015 vorgesehenen Bürgerentscheid zum Standort Esch bei der Neckarburg hatte die Stadtverwaltung versprochen, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt über das Neubauvorhaben einer JVA in Rottweil umfassend zu informieren. Dies ist leider nicht geschehen.
Ihre ganze Konzentration zielt darauf ab, eine bürgerschaftliche Zustimmung für die JVA im Esch bei der Neckarburg zu erhalten. Sie vermitteln der Bürgerschaft dabei den Eindruck, dass das Esch der einzig mögliche Standort ist. Und das stimmt nicht. Mit diesem Offenen Brief will ich die Bürgerschaft über die tatsächliche Situation informieren.
1.Ja zum Standort Rottweil
Es ist notwendig und richtig, dass die neue JVA in Rottweil errichtet wird. Es gilt, den Justizstandort Rottweil zu sichern. Zudem werden hierdurch in Rottweil Arbeitsplätze geschaffen. Weiter ist mit öffentlichen Zuweisungen für den städtischen Haushalt zu rechnen.
2.Standorte
Die Landesregierung favorisiert auf Vorschlag der Stadt Rottweil den Standort Esch bei der Neckarburg. Aber es ist nicht richtig zu behaupten, es gäbe hierzu keine alternativen Standorte in Rottweil.
So hat der Gemeinderat der Stadt Rottweil am 23.07.2014 zu weiteren Standorten folgende Mehrheitsbeschlüsse gefasst: Standort Bitzwäldle mit 20 Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen, die Standorte Esch und Hochwald mit je 19 Ja- und 6 Neinstimmen, Standort Stallberg einstimmig mit 25 Ja-Stimmen.
Die Landesregierung hat den Standort Stallberg wegen des problematischen Baugrundes zurück gestellt. So verbleiben neben dem Esch noch die Standorte Bitzwäldle und Hochwald. Das Justizministerium hat hierzu am 13.04.2015 festgestellt, dass bei den Standorten Bitzwäldle und Hochwald das Verfahren vorläufig ruht.
Hierzu hat der Justizminister in der Bürgerversammlung am 21.05.2015 ergänzt, dass hinsichtlich dieser beiden Standorte das Verfahren zur Reaktivierung dieser Standorte bei Bedarf wieder aufgenommen wird.
Auch die Stadt Rottweil hält sich diese Option offen; so ist der Antrag der Ortschaftsverwaltung Zepfenhan vom 24.03.2015, den Standort Bitzwäldle zu verwerfen und dies der Landesverwaltung mitzuteilen, vom Gemeinderat der Stadt Rottweil abgelehnt worden. Das Justizministerium hat auf eine weitere entsprechende Anfrage der Ortschaftsverwaltung nicht reagiert und will sich den Standort Bitzwäldle wohl in Reserve halten.
Es stehen also nach wie vor als möglicher Standort zur Verfügung: Bitzwäldle bei Zepfenhan, Esch bei der Neckarburg, Hochwald und evtl. sogar der Stallberg (s.unten).
3.Güterabwägung
Bei allen genannten Standorten handelt es sich um Naturgrundstücke, sei es Wald, Wiese oder Acker. Eine Überbauung mit 120.000 qm für die JVA zur Unterbringung von 400 – 500 Inhaftierten/Menschen ist an jedem Standort ein Eingriff in die Natur. Dies gilt im übrigen aber auch u.a. für die neu ausgewiesenen Wohnbaugebiete Spitalhöhe Nr. 2 und Nr. 3 im Bereich des Wasserturms in Rottweil mit insgesamt 180.000 qm.
Bei den Standorten Esch, Bitzwäldle und Hochwald müssen im Rahmen einer Güterabwägung die naturschutzrechtlichen Belange aber insbesondere auch der Naherholungsnutzen für die Bürgerschaft von Rottweil und der umgebenden Region beachtet werden.
Standort Esch: In der Gemeinderatssitzung am 18.03.2009 war sich der Gemeinderat über sämtliche Fraktionen hinweg einig, dass das Esch nicht bebaut werden darf und somit für einen Neubau der JVA nicht zur Verfügung steht (so die Stadträte u.a. Posselt: „Rottweil wichtigstes Naherholungsgebiet Esch darf nicht geopfert werden“; Schellenberg: „Standort Esch ist vom Tisch“; Sauter: „der Standort Esch kommt nicht in Frage, weil die Bürgerschaft von Rottweil mehrheitlich dagegen ist“!!)
Dieses Bekenntnis zur Erhaltung des gesamten Naherholungsgebietes Neckarburg/Esch war damals richtig und hat auch heute noch seine volle Gültigkeit. Dieser große Gefängnisneubau mit einer Außenmauer entlang des Weges zur Neckarburg mit einer Länge von ca. 500 m und 5,50 m Höhe würde das einmalige Landschaftsbild „Neckarburg“ zerstören und den Tourismus zur Neckarburg und Gaststätte empfindlich treffen.
Das Baugrundstück ist Privateigentum und müsste noch erworben werden.
Standort Bitzwäldle: Auf Grund der Standortuntersuchung von 2009 und der Standorterläuterung von 2015 ist der Baugrund für eine Überbauung geeignet. Beim Bitzwäldle handelt es sich um ein relativ flaches Waldgelände (gemäß Regionalplan 2003 kein Schutzwald) mit Keltengräber im Norden. Es gibt keine direkte Nachbarbebauung; eine unmittelbare Sichtbeziehung zu Zepfenhan und Neukirch wird voraussichtlich nicht bestehen.
Die vor Jahren gegebene Protestbewegung von einem Teil der Bürgerschaft von Zepfenhan und Neukirch gegen den Standort Bitzwäldle beruhte insbesondere auf den seinerzeit geschürten Ängsten vor entwichenen Häftlingen; diese Sichtweise spielt inzwischen keine Rolle mehr.
Das Areal ist schon im Eigentum des Landes -Staatsforstverwaltung-.
Standort Hochwald:
Laut Standorterläuterung liegt das Grundstück unmittelbar an der B 462 und grenzt direkt an den Weiler Hochwald an. Eine Bebauung dieses Freigeländes mit einer JVA würde insoweit eine deutliche Fremdkörperwirkung entfalten. Für die Anwohner würde die Sichtbeeinträchtigung erheblich sein. Der Höhenunterschied beträgt mehr als 15 m und erschwert die Überbauung mit einer JVA.
Das Grundstück ist Privateigentum und müsste noch erworben werden.
Standort Stallberg:
Ein von der Landesregierung für den Stallberg in Auftrag gegebenes Gutachten von 2008 spricht von überdurchschnittlichen geologischen Risiken und empfiehlt ein weiteres Baugrund- und Gründungsgutachten. Nach Auffassung von OB Broß gibt das Gutachten einen Ausschluss vom Standort Stallberg nicht her. Der Rottweiler Gemeinderat hat daraufhin am 18.03.2015 beschlossen, das Land erneut aufzufordern, die Bebaubarkeit im Rahmen eines Gutachtens zu überprüfen und die Gründungsmehrkosten darzustellen. Eine Antwort hierauf ist nicht erfolgt. Dies evtl. auch aus verständlichen haushaltsrechtlichen Gründen um abzuwarten, ob gegenüber dem Stallberg ein kostengünstigerer Standort in Rottweil gefunden wird.
Das Baugelände Stallberg ist zum Teil im Eigentum des Landes.
4.Humaner und moderner Strafvollzug
Mit dem Neubau einer JVA soll ein humaner und moderner Strafvollzug ermöglicht werden mit guten Rahmenbedingungen für die Unterbringung, Beschäftigung und Freizeitgestaltung der Inhaftierten. Dieses angestrebte Ziel einschließlich der architektonischen Einbindung in die jeweils gegebene Landschaft kann an jedem der Standorte realisiert werden. Erforderlich sind hierzu der politische Wille der Landesregierung und die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel.
5.Information der Bürgerschaft
Die meisten Bürger von Rottweil kennen den Weg zur Neckarburg; die wenigsten wissen jedoch, wo genau der vorgesehene JVA-Standort im Esch liegt.
OB Broß hatte angekündigt, die Bürgerschaft umfassend über den Standort Esch zu informieren, um für dem Bürgerentscheid eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Diese Information ist dringend erforderlich; Worte und Bilder allein reichen hierzu nicht aus.
Die Stadtverwaltung wird deshalb gebeten, das Bauareal Esch zu markieren und hier insbesondere entlang des Zufahrtsweges zur Neckarburg die JVA-Außenmauer mit einer Länge von ca 500 m und 5,50 m Höhe durch mehrere Pfosten/Stangen darzustellen. Erst dann kann man sich ein Bild von der Örtlichkeit machen.
6.Bürgerentscheid am 20.09.2015
Der Bürgerentscheid soll Klarheit bringen, ob auf dem Esch bei der Neckarburg der JVA-Neubau realisiert werden soll.
Sollte die Mehrheit sich gegen das Esch aussprechen, so ist das Ergebnis des Bürgerentscheides auch von der Landesregierung zu respektieren. Für den vorgesehenen JVA-Neubau in Rottweil stünden dann die alternativen Standorte Bitzwäldle, Hochwald und evtl. Stallberg wieder zur Diskussion.
Liebe Bürgerinnen und Bürger von Rottweil, machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch. Entscheiden Sie mit.
Für mich ist die Entscheidung klar. Ich will, dass das einzigartige und für Rottweil wichtigste Naherholungsgebiet Neckarburg auch in der Zukunft in seiner jetzigen offenen und unverbauten Art erhalten bleibt. Deshalb sage ich:
„NEIN zur JVA im Esch bei der Neckarburg“.
Werner Fischer, Rottweil